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Deutscher Ethikrat: Der Regierung genehm


Doch es kam ganz anders. Bereits im Vorfeld der ersten Lesung des Gesetzentwurfs hieß es: „Ein Durchwinken kommt nicht infrage.“ Kern des Konflikts ist die Beteiligung des Parlaments an der Besetzung und Arbeit des Gremiums. Kritik übten unter anderem die SPD-Politiker Wolfgang Thierse, René Röspel und Wolfgang Wodarg. Röspel sprach im Bundestag von einem Affront gegen das Parlament. Der Rat solle Abgeordneten verschlossen bleiben, interessengeleiteten Forschungs- und Wirtschaftsverbänden jedoch geöffnet werden. Diese Kritik entbehrt durchaus nicht jeder Grundlage.
Zur Erinnerung: Im Jahr 2001 hatte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder über Kabinettsbeschluss einen Nationalen Ethikrat eingesetzt. Die Stellungnahmen der Enquetekommission des Bundestages „Recht und Ethik der modernen Medizin“ hatten ihm offenbar nicht gefallen. Mitglieder der Enquetekommission kritisierten die Gründung dieses neuen Gremiums, dessen Mehrheit erwartungsgemäß eine zeitlich befristete Genehmigung des Imports embryonaler Stammzellen für ethisch vertretbar hielt. Mit großer Mehrheit lehnte die Enquetekommission die Präimplantationsdiagnostik ab, der Nationale Ethikrat plädierte mehrheitlich für eine Zulassung dieser Methode. Während die Enquetekommission mehrheitlich das therapeutische Klonen ablehnte, war der Nationale Ethikrat überwiegend der Auffassung, dass das Klonen für Forschungszwecke zu genehmigen sei. Das Mandat der Enquetekommission lief schließlich Ende der Legislaturperiode aus, was zahlreiche Parlamentarier bedauerten.
Zwar konnte sich Schröders Kurs der „Ethik des Heilens“ bisher nicht durchsetzen, doch haben viele Abgeordnete sicher nicht vergessen, dass es ihm mithilfe des Nationalen Ethikrates gelungen war, den Empfehlungen der Enquetekommission entgegenzuwirken. Von daher ist es keineswegs verwunderlich, dass viele Parlamentarier dem geplanten „abgeordnetenfreien“ Gremium mit Skepsis begegnen. Zwar sollen nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung die 24 Mitglieder des Deutschen Ethikrates je zur Hälfte auf Vorschlag des Bundestags und der Bundesregierung für die Dauer von vier Jahren berufen werden und maximal einmal wiedergewählt werden können. Es soll außerdem sichergestellt werden, dass im Rat ein „interdisziplinäres, plurales Spektrum sowie unterschiedliche weltanschauliche Ansätze“ vertreten sind. Doch schließlich wird die Regierung, wenn sie die Hälfte der Mitglieder beruft, keine Schwierigkeiten haben, den ethischen Kurs des Rates maßgeblich zu beeinflussen.
Chefin vom Dienst
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