ArchivDeutsches Ärzteblatt47/2006Aktionstag gegen Gesundheitsreform: Letzte Möglichkeit für Änderungen

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Aktionstag gegen Gesundheitsreform: Letzte Möglichkeit für Änderungen

Rabbata, Samir

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Bundesweit sollen am 4. Dezember Arztpraxen geschlossen bleiben. Foto: dpa
Bundesweit sollen am 4. Dezember Arztpraxen geschlossen bleiben. Foto: dpa
Ein Bündnis aus Verbänden und Organisationen aus dem Gesundheitswesen ruft für den 4. Dezember zu einem bundesweiten Aktionstag gegen das geplante GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz auf. Die Vorbereitungen für die Proteste laufen an.
Dr. med. Klaus Bittmann hat alle Hände voll zu tun. Fast täglich telefoniert der Vorsitzende der Ärztegenossenschaft Schleswig-Holstein und neu gewählte Vorsitzende des NAV-Virchow-Bundes mit Ärzten, Angehörigen von Gesundheitsberufen und Politikern. Ähnlich geht es dieser Tage vielen ärztlichen Funktionsträgern und ihren Mitarbeitern. Denn für den 4. Dezember haben mehrere Verbände und Organisationen zu einem bundesweiten Aktionstag gegen die geplante Gesundheitsreform aufgerufen. Unter dem Motto „Patient in Not – diese Reform schadet allen“ soll aus Protest gegen den Entwurf zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) in weiten Teilen Deutschlands keine Normalversorgung der Patienten stattfinden.
Neben Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV), Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) und Marburger Bund (MB) wollen sich auch die Bundesvereinigungen der Apotheker und Zahnärzte an den Protesten beteiligen. Unterstützt werden die Initiativen zudem von Landesärztekammern, der Allianz deutscher Ärzteverbände, den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und anderen Fachberufen aus dem Gesundheitswesen.
Geplant ist eine zentrale Protestveranstaltung in Berlin, die von einer Vielzahl regionaler Aktionen – wie Praxisschließungen und Aufklärungskampagnen – flankiert wird. Auch an etlichen Krankenhäusern werden am Aktionstag Informationsveranstaltungen stattfinden. Ärztestreiks an den Kliniken schloss der Hauptgeschäftsführer des MB, Armin Ehl, jedoch aus. Dies sei nur bei tariflichen Auseinandersetzungen möglich. Man werde sich aber andere Formen des Protests einfallen lassen.
Viel Zeit bleibt den Organisatoren für ihre Planungen nicht. Doch dürfte der Aktionstag die letzte Möglichkeit sein, Änderungen am Entwurf zum GKV-WSG durchzusetzen, bevor der Bundestag vermutlich im Januar 2007 abschließend über die Reform berät. Dazu sollen kurzfristig einberufene Steuerungsgruppen auf regionaler Ebene ausloten, wie sich die betroffenen Berufsgruppen am geeignetsten Gehör verschaffen können. „Wir informieren gerade alle Vertragsärzte über die geplanten Aktionen“, berichtet Bittmann von den Vorbereitungen in Schleswig-Holstein. Ähnlich ist der Stand in Brandenburg. „Wir rufen alle Ärzte auf, am Protesttag ihre Praxen geschlossen zu halten und zu einer der drei Großkundgebungen in Potsdam, Cottbus und Frankfurt/Oder zu kommen“, sagt KV-Sprecher Rolf Herre.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, hebt hervor, dass noch nie so viele unterschiedliche Verbände und Organisationen geschlossen gegen eine Gesundheitsreform protestiert haben. Der Ärger der Ärzte richte sich insbesondere gegen die vorgesehene Fortführung der Honorarbudgets und den eingeschlagenen Weg in Richtung Staatsmedizin, ergänzt KBV-Sprecher Dr. Roland Stahl. Drohungen des Bundesgesundheitsministeriums, die KVen dürften sich als Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht an solchen Aktionen beteiligen, weist Stahl zurück. Man stehe in der Pflicht, Vertragsärzte und Patienten über die Folgen der Reform zu informieren.
Diese könne man unter dem Begriff „Billigmedizin“ zusammenfassen, meint DKG-Sprecher Dr. Andreas Priefler. Allein durch den vorgesehenen Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser von jährlich 500 Millionen Euro würden etliche Kliniken Probleme bekommen. Statistisch würde jedes Krankenhaus mit 300 000 Euro belastet. Das mache etwa fünf Arztstellen aus, die dann in der Patientenversorgung fehlten.
Samir Rabbata

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