ArchivDeutsches Ärzteblatt1-2/2007Porphyrien: Europäische Initiative fördert Zusammenarbeit

MEDIZIN: Kongressberichte und -notizen

Porphyrien: Europäische Initiative fördert Zusammenarbeit

Frank, Jorge; Petrides, Petro E.

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LNSLNS Porphyrien sind seltene Erkrankungen („orphan diseases“); weniger als fünf von 10 000 Einwohnern erkrankt hieran. Derzeit sind circa 5 000 seltene Krankheiten bekannt, wobei es sich überwiegend um schwerwiegende, genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen handelt. Obwohl in Europa schätzungsweise 25 bis 30 Millionen Personen an einer seltenen Erkrankung leiden, ist dieser Markt aufgrund der geringen Patientenzahlen sowie der enormen Entwicklungs- und Zulassungskosten für entsprechende Medikamente („orphan drugs“) für die Pharmaindustrie in der Regel unwirtschaftlich.
Akute Porphyrie- Attacken können sich mit einem breiten klinischen Symptomenspektrum manifestieren, zum Beispiel durch kolikartige Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Paraesthesien, Muskelschmerzen, Lähmungserscheinungen, Unruhe und Verwirrtheit.
Akute Porphyrie- Attacken können sich mit einem breiten klinischen Symptomenspektrum manifestieren, zum Beispiel durch kolikartige Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Paraesthesien, Muskelschmerzen, Lähmungserscheinungen, Unruhe und Verwirrtheit.
Porphyrien werden von den meisten Ärzten häufig zu spät oder gar nicht diagnostiziert. Unter anderem auch deshalb fand ein zweitägiges deutschsprachiges Symposiums im April 2006 in Darmstadt statt unter der Leitung von Petro E. Petrides, München, und Jorge Frank, Aachen/Maastricht. Porphyrien sind vorwiegend hereditäre metabolische Erkrankungen, die sich klinisch sowohl mit teilweise lebensbedrohlichen akuten neuroviszeralen Porphyrie-Attacken als auch mit Hautsymptomen an den lichtexponierten Körperarealen manifestieren können (Abbildung). Derzeit werden mindestens sieben verschiedene Porphyrie-Formen unterschieden. Bei Verdacht auf eine Porphyrie müssen oftmals unspezifische und teilweise verwirrende klinische Symptome erkannt werden, um eine zielgerichtete Laboruntersuchung zu veranlassen.
Auf dem Darmstädter Symposium stellte sich die neu gegründete Europäische Porphyrie-Initiative (European Porphyria Initiative) vor. Darüber hinaus wurde ein deutsches Netzwerk für die Diagnostik und Behandlung der Porphyrien etabliert, das enge Kontakte zu Österreich und der Schweiz unterhalten soll. Nach einer Präsentation von Vertretern der Patientenvereinigung Erythropoetische Protoporphyrie Deutschland motivierte man die anwesenden Patienten zur Gründung einer Patientenselbsthilfegruppe „Akute Porphyrien“. Idealerweise sollten sich alle Porphyrie-Patienten unter einem gemeinsamen Dach organisieren.
Im ersten Hauptvortrag gab Elisabeth Minder, Zentrallabor im Stadtspital Triemli, Zürich, eine allgemeine Einführung zu den Porphyrien, wobei sie besonderen Wert auf die Ableitung eines Algorithmus für das diagnostische Vorgehen bei Porphyrie-Verdacht legte. Neben der traditionellen Klassifikation der Porphyrien in hepatische und erythropoetische Formen, die auf dem zugrunde liegenden organspezifischen Expressionsmuster des vorherrschenden Enzymdefektes beruht, wies sie darauf hin, dass in den letzten 20 Jahren die Klassifikation in akute und nichtakute Porphyrien stetig an Bedeutung gewonnen hat. Diese Einteilung orientiert sich vorrangig an potenziell lebensbedrohlichen akuten neuroviszeralen Attacken, die einer sofortigen therapeutischen Intervention bedürfen. Somit ist die Differenzierung zwischen akuten und nichtakuten Porphyrien im klinischen Alltag von großer Bedeutung, weil sie unmittelbare diagnostische und therapeutische Konsequenzen hat. Bei Verdacht auf eine akute Porphyrie-Attacke sollte stets eine Spontanurin-Probe hinsichtlich der Konzentration der Porphyrin-Vorstufe Porphobilinogen untersucht werden. Eine Erhöhung von Porphobilinogen auf das 20- bis 50fache des Normalwertes bestätigt zusammen mit akuten Symptomen wie lange andauernden kolikartigen Bauchschmerzen, Nausea, Erbrechen und Tachykardie, im weiteren Verlauf eventuell gefolgt von Parästhesien und Lähmungserscheinungen, die Diagnose einer akuten Porphyrie.
Der Präsident der Europäischen Porphyrie-Initiative (EPI) und Leiter des französischen Porphyrie-Zentrums in Paris, Jean-Charles Deybach, stellte das im Jahre 2005 gegründete europaweite Expertennetzwerk der EPI und deren Ziele vor. Er wies darauf hin, dass es in den kommenden Jahren darauf ankommt, europaweit Konsensusleitlinien zu Diagnostik und Therapie der Porphyrien zu entwickeln. Weil akute Porphyrie-Attacken durch bestimmte porphyrinogene Medikamente ausgelöst werden können, ist eines der vordringlichen Ziele der EPI die Veröffentlichung einer Liste mit sicheren und unsicheren Medikamenten. Auf der Internetseite der EPI (www.porphyria-europe.com) können die durch EU-Gelder geförderten Aktivitäten des Netzwerkes verfolgt werden. Hier findet man auch ausführliche Informationen für Patienten, die mittlerweile in 10 verschiedenen Sprachen vorliegen.
Einer der Höhepunkte des zweiten Kongresstages war die Präsentation von Anne Weller, Jasmin Barmann und Martin Terhardt. Sie stellten die erste deutsche Patientenselbsthilfegruppe (Erythropoetische Protoporphyrie Deutschland; www.epp-deutschland.de) vor, die im Jahre 2004 gegründet wurde. Neben den Schwierigkeiten in der Gründungsphase der Selbsthilfegruppe und persönlichen Erfahrungen mit der Erkrankung konnten sie über erfreuliche Entwicklungen hinsichtlich der stetig zunehmenden Mitgliederzahlen und wachsenden Bedeutung der Patientenvereinigung in der Öffentlichkeit und Politik berichten. Die Vortragenden regten daher an, dass sich Porphryie-Patienten und deren Angehörige verstärkt in entsprechenden Selbsthilfegruppen organisieren sollten, wobei es sicherlich am sinnvollsten wäre, kurz- oder mittelfristig alle deutschen Porphyrie-Patienten in einer Selbsthilfegruppe zu vereinen.

Interessenkonflikt
Prof. Petrides hat Honorare für Beratung und Vorträge von Orphan Europe und Falk Pharma erhalten. Prof. Frank hat Honorare für Beratung und Vorträge von Orphan Europe (Germany) GmbH erhalten.

Finanzielle Unterstützung/Unterstützung durch die Pharmaindustrie
Das zweitägige Symposium „Porphyrie“, das am 27. und 28. 04. 2006 in Darmstadt stattfand, wurde finanziell durch die Firma Orphan Europe (Germany) GmbH unterstützt.

Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. Jorge Frank, M.D., Ph.D.
Afdeling Dermatologie
Academisch Ziekenhuis Maastricht
6202 AZ Maastricht
Niederlande
E-Mail: jfra@sder.azm.nl

Fachgebiet

Der klinische Schnappschuss

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