

Viele Therapeuten bezeichnen sich selbst als tolerant gegenüber nichtheterosexuellen Orientierungen. Unbeeinflusst bleiben sie von der sexuellen Orientierung eines Patienten jedoch nicht. Zu diesem Ergebnis kamen jetzt zwei Psychologen der State University of New York, die mit 141 Psychologen und Psychotherapeuten unterschiedlicher Therapieschulen ein Experiment durchgeführt haben. Die Probanden erhielten Fallvignetten, in denen Patienten mit einer Symptomatik beschrieben wurden, die sowohl auf eine Borderlinestörung als auch auf eine sexuelle Identitätskrise schließen ließen. Anhand indirekter Informationen konnten die Probanden außerdem auf die sexuelle Orientierung der Fallpatienten schließen. Männliche Fallpatienten, von denen die Probanden vermuteten, dass sie homo- oder bisexuell waren, erhielten signifikant häufiger die Diagnose „Borderlinestörung“ ausgestellt als heterosexuelle männliche Patienten oder weibliche Patienten, unabhängig von deren sexuellen Orientierung. Außerdem stellte sich heraus, dass die befragten Psychologen und Psychotherapeuten lieber mit weiblichen Patienten arbeiteten und ihnen auch bessere Prognosen ausstellten. Begründet wurde diese Präferenz mit der Meinung der Befragten, nach der weibliche Patienten besser auf Psychotherapien ansprechen. Außerdem waren den Befragten weibliche Patienten vertrauter, da Frauen häufiger psychotherapeutische Behandlungen wahrnehmen als Männer. ms
Eubanks-Carter C, Goldfried M: The impact of client sexual orientation and gender on clinical judgments and diagnosis of borderline personality disorder. Journal of Clinical Psychology 2006; 6: 751–70.
Marvin R. Goldfried, Dep. of Psychology, State University of New York, Stony Brook, NY 11794-2500, E-Mail: marvin.goldfried@sunysb.edu