Referiert
Angststörungen im Kindes- und Jugendalter: Kognitive Verhaltenstherapie als Methode erster Wahl


Die Prognose bei Angststörungen ist ungünstig, da eine Chronifizierungstendenz besteht. Wie Längsschnittstudien belegen, ist eine Angststörung im Kindesalter zudem ein bedeutsamer Risikofaktor für die Entwicklung psychischer Störungen im Erwachsenenalter. Angststörungen, affektive Störungen und Substanzabhängigkeit sind die häufigsten Störungen, die sich in der Folge von Angststörungen entwickeln. Die emotionale Störung mit Trennungsangst scheint dabei mit einem besonders hohen Risiko für das Auftreten psychischer Störungen im Erwachsenenalter behaftet zu sein. „Trotz des ungünstigen Verlaufs erhalten viele Kinder mit Angststörungen keine professionelle Hilfe, und viele Kinder mit Angststörungen werden nicht als solche erkannt“, sagt Prof. Dr. Silvia Schneider von der Universität Basel. Die Kinder- und Jugendpsychologin sieht hier einen dringenden Aufklärungs- und Informationsbedarf bei Eltern und Kindern.
Anhand einer Metaanalyse, in die 24 aktuelle englisch- oder deutschsprachig publizierte Studien eingingen, konnte Schneider ermitteln, dass Angststörungen im Kindes- und Jugendalter erfolgreich mit Verhaltenstherapie behandelt werden können. Die Katamnesedaten dokumentieren, dass die Therapieerfolge über mehrere Jahre stabil bleiben. Für die Behandlungsgruppen zeigte sich mit einer Prä-post-Effektstärke von 0,86 ein großer Effekt, während die Wartelistengruppe eine durchschnittliche Effektstärke von 0,13 aufwies.
Nach Ablauf der Therapie erfüllten 69 Prozent der Kinder die Diagnosekriterien ihrer primären Angststörung nicht mehr im Vergleich zu 13 Prozent aus der Wartekontrollgruppe.
Angststörungen manifestieren sich vorwiegend im Alter zwischen sieben und 21 Jahren, im Durchschnitt im Alter von elf Jahren. Um einem ungünstigen Verlauf und einer Krankheitsfortsetzung im Erwachsenenalter vorzubeugen, sollte die Behandlung bereits im Kindes- und Jugendalter beginnen. Die Therapie konzentriert sich primär auf den Abbau von Ängsten. Aktuelle verhaltenstherapeutische Behandlungsprogramme setzen dazu spezifische verhaltenstherapeutische Interventionen zur unmittelbaren Angstreduktion (zum Beispiel systematische Konfrontation mit Angst auslösenden Situationen, operante Techniken) ein. Sie integrieren aber auch kognitive Interventionen (zum Beispiel kognitive Aspekte der Angst/Psychoedukation; kognitive Bearbeitung dysfunktionaler Gedanken, Einschätzung eigener Bewältigungsmöglichkeiten) und allgemeine Interventionen zur Förderung der Autonomie (zum Beispiel Verbesserung von Selbstwirksamkeitsüberzeugung und Problemlösefähigkeiten). Außerdem werden immer häufiger die Eltern mit in die Angstbehandlung einbezogen.
Mittlerweile liegen auch erste kontrollierte Therapiestudien vor, die die kurzfristige Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung (SSRI) nachweisen. Der Einsatz einer psychopharmakologischen Behandlung sollte nach Meinung von Schneider jedoch nicht allein, sondern immer in Kombination mit psychotherapeutischen Verfahren erfolgen. ms
Schneider S, In-Albon T: Die psychotherapeutische Behandlung von Angststörungen im Kindes- und Jugendalter – Was ist evidenzbasiert? Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie 2006; 3: 191–202.
Schneider S: Verhaltenstherapie bei Kindern und Jugendlichen mit Angststörungen. Behandlungsbedarf und Behandlungsmöglichkeiten. Psychotherapeut 2006; 2: 99–106.
Prof. Dr. Silvia Schneider, Klinische Kinder- und Jugendpsychologie, Institut für Psychologie der Universität Basel, Missionsstraße 60/62, CH-4055 Basel, E-Mail: silvia.schneider@unibas.ch
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