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Wie eine dunkle Wolke hängt die Gesundheitsreform nun seit knapp einem Jahr über der schwarz-roten Koalition. Das ist ärgerlich für die Regierung, trübt sie doch das sonst vergleichsweise gute Klima in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs. Entsprechend bemüht und fieberhaft haben die Koalitionäre deswegen in den vergangenen Monaten nach einer Lösung gesucht – bisher jedoch ohne Erfolg. Nachdem eine mühsam erzielte Einigung im Dezember vergangenen Jahres von der Mehrheit der unionsregierten Länder im Bundesrat abgelehnt wurde, schien eine Lösung unerreichbarer denn je. In der Nacht zum 12. Januar dann gelang den Koalitionären der Durchbruch. 13 Stunden lang haben sich die Spitzen der Regierungsfraktionen dazu mit den Gesundheitsexperten und der zuständigen Ministerin eingeschlossen. Nachts um drei Uhr waren die Hauptstreitpunkte gelöst: Die Union stimmt der Einführung der allgemeinen Versicherungspflicht zu. Dafür wird der Zugang zum Basistarif in der privaten Krankenversicherung (PKV), anders als von den Sozialdemokraten gefordert, auf bisher freiwillig Versicherte und bereits privat Versicherte begrenzt.
Mit der Reform könnte sich auch für die Ärzte Grundsätzliches ändern. So kündigt CSU-Fraktionsvize Wolfgang Zöller nur wenige Stunden später an, dass die ärztliche Honorierung „wesentlich vereinfacht“ werde. Ärzte könnten davon ausgehen, „dass mit der Gesundheitsreform das Ende der Budgetierung erreicht ist“. Konkreter wird der Gesundheitsexperte der CSU an diesem Tag allerdings nicht. Aus den Änderungsanträgen, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegen, geht jedoch hervor, dass die geplante Honorarreform nun doch nicht kostenneutral erfolgen muss. Das noch im letzten Gesetzentwurf festgeschriebene Vorhaben, dass Beitragserhöhungen der Kassen infolge höherer Arzthonorare auszuschließen seien, findet sich in den Anträgen nicht wieder. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung will dennoch zunächst den überarbeiteten Gesetzentwurf abwarten, bevor sie das Vorhaben kommentiert.
Sie sei „sehr froh“, dass zu allen anstehenden Fragen einvernehmliche Regelungen gefunden wurden, erklärt auch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Vor allem die nun vorgesehene Versicherungspflicht sei als Erfolg zu werten. Dafür aber muss die SPD mit Änderungen beim PKV-Basistarif leben. Mit Inkrafttreten des Tarifs Anfang 2009 können Privatversicherte innerhalb von sechs Monaten in den Basistarif ihrer Versicherung wechseln. Danach sollen nur noch über 55-Jährige und Bedürftige sich in diesen Tarif einschreiben können. Mit der Befristung soll eine missbräuchliche Nutzung des Basistarifs verhindert werden. Risikoprüfungen oder Risikozuschläge bei den Prämien soll es dabei nicht geben. Jedoch sollen auch hier Alterungsrückstellungen gebildet werden.
Auch Zöller, dem man wie den anderen Verhandlungsteilnehmern auch, die Strapazen der vorausgegangenen Nacht ansieht, gibt sich zufrieden. Wichtig sei es, dass der Zugang zum Basistarif begrenzt werde. Darauf hatten verschiedene Unionspolitiker und -ministerpräsidenten im Vorfeld immer wieder bestanden. Deren Angst, der Basistarif könne das Geschäftsfeld der PKV aushöhlen und schließlich deren Ende bedeuten, will Zöller nicht mehr teilen. In dieser Form, so Zöller, werde es nicht „zu einem wirtschaftlichem Abrutschen der PKV“ kommen.
Einer Einigung nahe
Und tatsächlich zeigen sich die unionsregierten Länder größtenteils zufrieden. Selbst Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), der bis dato wohl nicht zuletzt aufgrund innerparteilicher Querelen um seine Person zu den härtesten Widersachern in Sachen Gesundheitsreform zählte, signalisiert Zustimmung. Ähnlich zeigt sich auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) überzeugt, dass die Reform wie geplant Anfang April in Kraft treten könne.
Dennoch muss in einigen strittigen Fragen noch eine Einigung mit den Länderchefs gefunden werden. Denn die wollen abermals über die geplanten Einsparungen bei Kliniken in Höhe von 500 Millionen Euro verhandeln. Diese sind aus ihrer Sicht zu hoch. Beobachter gehen davon aus, dass der Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser darum auf die Hälfte reduziert werden könnte. Zudem wollen die Länder, dass bei Rettungsdiensten nicht 100 Millionen Euro, sondern weniger gespart wird.
Im Streit über die voraussichtlichen finanziellen Mehrbelastungen der Krankenkassen in den Bundesländern durch den anvisierten Gesundheitsfonds hingegen ist man einer Einigung sehr nahe. Zusammen mit dem Bundesversicherungsamt wollen die Länder die sogenannte Konvergenzklausel überarbeiten und anwendungsfähig ausgestalten. Diese soll die zusätzliche finanzielle Belastung der Länder auf maximal hundert Millionen Euro im Jahr beschränken.
Fest steht indes schon jetzt, dass die mit der Reform anvisierten Einsparungen nicht erreicht werden. Denn neben den wohl noch zu senkenden Sparbeiträgen von Kliniken und Rettungsdiensten kommen noch Mehrausgaben bei den Apotheken hinzu. Den neuen Plänen der Koalition zufolge soll der den Apotheken auferlegte Zwangsrabatt gegenüber den Krankenkassen gesenkt werden. Anstatt 500 Millionen Euro sollen die Apotheken jetzt nur noch 150 bis 180 Millionen Euro einsparen.
Hessen: Ablehnung signalisiert
Auch wenn Opposition und Verbände den neuen Kompromiss erneut als „Murks“ verurteilen, ist Gesundheitsministerin Schmidt zuversichtlich, dass die Reform im Bundestag und im Bundesrat verabschiedet wird. Während sich die CDU/FDP- regierten Bundesländer Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sowie das rot-rote Berlin aufgrund der gegensätzlichen Haltung der Koalitionspartner im Bundesrat enthalten wollen, hat das Bundesland Hessen Ablehnung signalisiert. Sollte die Gesundheitsministerin die Bedenken der Länder nicht aufnehmen, werde eine Behandlung im Vermittlungsausschuss nötig, erklärte Hessens Sozialministerin Silke Lautenschläger (CDU). Ob Schmidts Zuversicht also berechtigt ist, bleibt abzuwarten. Schließlich hat bereits der erste Durchgang im Bundesrat verdeutlicht, dass das Abstimmungsverhalten der Länder manchmal ebenso schwer vorherzusagen ist wie das Wetter.
Timo Blöß