

Foto: Eberhard Hahne
Der Patient lässt den Arzt/die Helferin nicht ausreden, argumentiert unsachlich, nörgelt grundlos herum und behandelt den Gesprächspartner wie einen Gegner. Welche Strategien stehen dem Praxisteam zur Verfügung, um souverän zu bleiben und das Gespräch in geordnete Bahnen zu lenken? Wie so oft ist auch in diesen Situationen die Einstellung entscheidend. Der Düsseldorfer Gynäkologe Marek Sadowski meint: „Wir sollten das Gespräch mit einem schwierigen Patienten als Herausforderung ansehen, die wir positiv bewältigen und in der wir uns ganz besonders bewähren wollen.“
Bei Problempatienten spielt die Tatsache, dass ein Großteil der zwischenmenschlichen Kommunikation auf der unbewussten Gefühlsebene abläuft, eine wichtige Rolle. Der Patient darf keinesfalls von vornherein als lästiger Nörgler behandelt werden, mit dem man sich auf ein verbales Scharmützel einlässt. Es empfiehlt sich, Emotionen und Gesprächsgegenstand konsequent zu trennen, Interessen abzuklären, Alternativlösungen zu entwickeln und gemeinsam mit dem Patienten Konsens zu finden. Selbst in hitzig geführten Gesprächen muss der Arzt – und das gilt wie alles Folgende auch für seine Mitarbeiterinnen – fair bleiben. Sadowski: „Sind beide Seiten bereit, dem anderen etwas entgegenzukommen, entstehen Win-win-Situationen, die beiden nutzen.“ Mit etwas Geschick lassen sich so die meisten Situationen bewältigen. Voraussetzung ist, dass sich die Beteiligten als Partner sehen, die die Interessen der anderen Seite einbeziehen, ohne den eigenen Vorteil aus dem Auge zu verlieren. Angestrebt wird ein Interessenausgleich. Dazu nehmen Arzt und Mitarbeiterinnen die Perspektive des Patienten ein, hören aktiv zu, spüren durch Nachfragen dessen Bedürfnisse auf und unterbreiten ihm einen Vorschlag, der seine Ziele berücksichtigt. Trotzdem sollte sich das Team ein „Worst-Case-Szenario“ mit den geeigneten Reaktionsweisen überlegen. Dazu setzt es sich zu einem „Brainstorming“ zusammen und tüftelt gemeinsam geeignete Deeskalationsstrategien aus.
Ob ein aggressiver Patienteneinwand nun gerechtfertigt ist oder nicht, der Arzt nimmt den Druck aus dem Gespräch, indem er äußert: „Danke, dass Sie mir das so deut-lich sagen.“ Anschließend federt er den Einwand ab, zeigt Verständnis, nimmt dem Gespräch die Schärfe und fragt nach den Ursachen für den Einwand. Die meisten Patienten werden nun Gründe nennen, auf die der Arzt sachlich eingehen kann.
Wenn der Patient unfaire Sachargumente vorträgt oder persönlich wird, empfiehlt es sich, dem Gesprächspartner eine Brücke zu bauen, um wieder auf die Sachebene zu gelangen. Dies ist in Auseinandersetzungen, in denen noch Argumente ausgetauscht werden, relativ einfach. Was aber, wenn der Patient zu unlauteren Mitteln greift, nur seinen eigenen Vorteil verfolgt oder gar droht, über „diese Unverschämtheiten“ in der Öffentlichkeit zu berichten? Die kooperative Vorgehensweise hilft hier nicht weiter. Gefragt sind dann Souveränität, Gelassenheit und Sachlichkeit. Die gilt besonders, wenn der Patient die Faktenlage bezweifelt. Nicht selten hört der Arzt Rechtfertigungen wie: „In der Zeitung war das aber anders zu lesen!“ Oder: „Die Krankenkasse hat mir das anders erklärt.“ Da hilft nur eine gute Vorbereitung. Arzt und Assistentinnen dürfen in ihre Argumentation nur belegbare Fakten einfließen lassen.
Gerade in Gesprächen zu Zuzahlerleistungen kommt es vor, dass Patienten die Aufrichtigkeit des Arztes infrage stellen. Sie vermuten, er wolle sie zu etwas überreden. Zu empfehlen ist, diese Gespräche von einer Assistentin führen zu lassen. Sie ist ebenso wie die meisten Patienten Kassenpatientin und kann sich daher mit mehr Feingefühl in die Situation eines Gesprächspartners versetzen, der vor der Entscheidung steht, eine Zuzahlerleistung zu kaufen.
Ein guter Gesprächsleitfaden hilft, sich von Verwirrspielen des Patienten nicht beeinflussen zu lassen. Wo es Sinn macht, stimmt der Arzt dem Patienten zu, rückt dann aber wieder den konkreten Verhandlungsanlass in den Mittelpunkt: „Im Prinzip haben Sie recht, aber wenn Sie sich die Kostenaufstellung im Einzelnen ansehen.“
Schwierig wird es, wenn der Patient provoziert und persönlich wird. Oft hilft dann Humor: „Sie scheinen der Meinung zu sein, Angriff sei die beste Verteidigung. Ich bin aber auch ein guter Stürmer. Lassen Sie mich nochmals in die sachliche Offensive gehen – vielleicht gelangen wir zu einer Einigung.“ Bei Drohungen sollten Arzt und Assistentinnen, so schlägt Gynäkologe Sadowski vor, den Umgang miteinander zum Thema machen: „So kommen wir nicht weiter. Was halten Sie davon, wenn wir erst einmal festlegen, wie wir miteinander reden wollen? Dann erreichen wir unser gemeinsames Ziel bestimmt doch noch!“
Ist dem Arzt oder der Mitarbeiterin an der Rezeption bekannt, dass es sich um einen Problempatienten handelt, können sie sich entsprechend vorbereiten. Ist dies nicht der Fall, lässt die Körpersprache Rückschlüsse zu: Wenn der Patient die Arme verschränkt und eine distanzierte Gestik und Mimik an den Tag legt und sofort „über die schrecklich lange Wartezeit“ zu nörgeln beginnt, ahnt die Mitarbeiterin: „Ich habe es mit einem schwierigen Patienten zu tun – zu dem ich trotzdem freundlich sein sollte!“
Karin und Michael Letter
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Klippel, Jost