SEITE EINS
Patienteninformation: Guter Rat ist teuer


Aufbauend auf Erfahrungen mit ersten Pilotprojekten, ist nun der Modellverbund „Unabhängige Patientenberatung Deutschland gGmbH“ entstanden, ein Zusammenschluss aus dem Sozialverband Deutschland VdK, der Verbraucherzentrale Bundesverband und dem Verbund unabhängige Patientenberatung. Die Informationen könnten also fließen. Hinter diesem Projekt steht gar die Bundesregierung. Im Rahmen der Gesundheitsreform 2000 hatte der Gesetzgeber die Spitzenverbände verpflichtet, die unabhängige Patienten- und Verbraucherberatung modellhaft mit jährlich mehr als fünf Millionen Euro zu fördern. Nach der ersten Projektphase, die im Juni 2005 auslief, haben sich die Krankenkassen zu einem Folgeprojekt entschlossen. Auch das fördern sie mit rund fünf Millionen Euro jährlich. Im Jahr 2010, am Ende der Modellphase, soll der Gesetzgeber dann auf Grundlage einer wissenschaftlichen Begleitforschung entscheiden, ob aus dem Modellprojekt mehr wird.
Seit Ende Januar können sich Patienten an 22 Orten bundesweit von interdisziplinär zusammengesetzten Teams beraten lassen. Gehe es um gesundheitsrechtliche Fragen, verspreche die Patientenberatung juristischen Sachverstand, bei gesundheitlichen Fragen versuchten Ärzte oder mit dem Gesundheitswesen Vertraute, den Patienten weiterzuhelfen, sagt Geschäftsführerin Astrid Burkhardt. Bei psychosozialen Fragen helfen der Geschäftsführerin zufolge Psychologen oder erfahrene Sozialarbeiter. Gleichzeitig ging eine telefonische Beratungshotline an den Start. In vier überregionalen Beratungseinrichtungen erhalten Patienten zudem Auskünfte zu spezielleren Fragen wie Arzneimittelverträglichkeiten. Das alles ist für die Patienten unentgeltlich und soll, betont Burkhardt, „nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu bestehenden Angeboten im Gesundheitswesen gesehen werden“.
Diese „Ergänzung“ hält Dr. med. Frank Ulrich Montgomery für überflüssig. Schließlich, so der Vorsitzende des Marburger Bundes, gebe es bereits den (eingangs genannten) Patientenservice der Landesärztekammern, das viele Geld könnten die Krankenkassen daher besser für die Stärkung der bestehenden Einrichtungen nutzen.
Verhalten ist auch die Reaktion der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die selbst erst im vergangenen Jahr einen „Patientenbeirat“ und eine „Stabsstelle Patienteninformation“ eingerichtet hat. Sie spricht lediglich von einer „inhaltlichen Verstärkung der [eigenen] Aktivitäten“. Würde die Vielfalt an Patientenberatungsstellen das Geschäft beleben, wären alle glücklich. Einem 6-Länder-Vergleich des Commonwealth Fund zufolge ist dem nicht so: Deutsche Patienten beklagen überproportional häufig fehlende Aufklärung und unzureichende Beratung.
Vielleicht würden die von den Kassen jährlich bereitgestellten fünf Millionen Euro zu mehr Zufriedenheit beitragen, wenn sie zur Vernetzung der bestehenden Strukturen genutzt würden. Oder aber sie könnten in eine breit angelegte Kampagne fließen, in der die Patienten erst einmal über die bestehende Vielfalt an Beratungsmöglichkeiten informiert werden. Dann käme teurer Rat auch gut an – beim Bürger.
Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik, Berlin
Anzeige
Leserkommentare
Um Artikel, Nachrichten oder Blogs kommentieren zu können, müssen Sie registriert sein. Sind sie bereits für den Newsletter oder den Stellenmarkt registriert, können Sie sich hier direkt anmelden.