PHARMA
Hämophilie A: Hightech-Herstellung des Gerinnungsfaktors VIII


Mitarbeiter in
gasdichten Anzügen
bei der Sichtung
des gefriergetrockneten
rFVIIIKuchens.
Foto: Bayer
„Ursprünglich sollte Wuppertal Standort für das Werk sein, aber eine Produktions- und Forschungsstätte, die gentechnisch hergestellte Medikamente erforscht und produziert, konnte damals in Deutschland nicht realisiert werden“, sagte Dr. Andreas Müller-Beckhaus, Direktor des Geschäftsbereichs Hämatologie.
Aufwendige Herstellung eines komplexen Moleküls
In den 80er-Jahren wurde das Faktor-VIII-Gen identifiziert. Damit war es möglich, diesen Faktor nicht nur aus Plasma, sondern auch gentechnisch herzustellen: Der rekombinante Faktor VIII ist nach wie vor das größte Molekül, das mithilfe der Biotechnologie gewonnen wird. Der rekombinante Gerinnungsfaktor Kogenate steht seit 1993 zur Verfügung.
Die Produktion einer Charge des rFVIII dauert 250 Tage. Gentechnisch veränderte Babyhamster-Nierenzellen produzieren das komplexe Protein in 200-Liter-Edelstahlbehältern, aus denen nach einem von Bayer entwickelten und patentierten Verfahren kontinuierlich der produkthaltige Überstand von den Faktor-produzierenden Säugetierzellen entnommen werden kann – 12 000 Liter pro Tag.
Ein achtstufiger Reinigungsprozess garantiert Virusreinheit, und selbst potenziell eingeschleuste Prionen – seit dem Jahr 2000 ist Kogenate albuminfrei – würden in dieser Reinigung entfernt werden. Die Abfüllung, Gefriertrocknung und Verpackung geschieht in hochreiner Umgebung, und die Mitarbeiter tragen gasdichte Anzüge (Foto).
Den Forschungsschwerpunkt in Berkeley stellte Dr. Glenn Pierce (Leiter der präklinischen Entwicklungsabteilung) vor. Ziel ist es, die Aktivität des rFVIII zu verlängern. Bisher muss der Faktor VIII in der prophylaktischen Hämophilietherapie dreimal in der Woche intravenös injiziert werden. Mit dem in Berkeley entwickelten pegylierten liposomalen rFVIII-BAY-79-4980 scheint für die gleiche Wirksamkeit eine Injektion pro Woche zu reichen, denn mit dieser Formulierung hat der Faktor eine längere Halbwertszeit.
Im Vergleich zum herkömmlichen rFVIII verlängerte BAY-79-4980 in einer Phase-II-Pilotstudie bei Patienten mit schwerer Hämophilie das blutungsfreie Intervall je nach Dosis von 5,9 auf 10,9 Tage (jeweils 25 IU/kg) und 7,2 auf 13,3 Tage (35 IU/kg) (Spira et al., Blood in press). Auch bei akuten Blutungen gibt es erste Daten, die belegen, dass die neue Formulierung besser wirkt. Das verbessere nicht nur die Lebensqualität der Patienten, sondern es werde auch weniger rFVIII benötigt, erläuterte Pierce. Aber auch eine Veränderung der Aminosäuresequenz (Bioengineering) führt in den Laboren von Berkeley beispielsweise zu besseren Bindungseigenschaften, längerer Zirkulation und geringerer Immunogenität des rFVIII.
Das langfristige Ziel sei jedoch die Heilung der Bluterkrankheit, betonte Pierce. Bisher hat Bayer in Zusammenarbeit mit kleinen Biotechnologie-Firmen bei Hämophilie A mit einer gentherapeutischen Behandlung mit dem Faktor IX eine kurzfristige körpereigene Produktion im Menschen erreicht (Natur Med 2006; 12: 343–7). Der Faktor VIII ist jedoch sehr viel komplizierter, und erste Tiermodelle bei Hunden haben Pierce zufolge zwar die Blutungen gestoppt, aber für eine klinische Entwicklung im Menschen waren die Ergebnisse bisher nicht ausreichend (Jiang et al., Blood 2006, 108: 107–15).
Andrea Warpakowski
Pressereise „Hämophilie: Fortschritt durch Innovation“ in San Francisco/Berkeley, Veranstalter: Bayer Healthcare
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