ArchivDeutsches Ärzteblatt7/2007Von schräg unten: Stellenanzeige

SCHLUSSPUNKT

Von schräg unten: Stellenanzeige

Böhmeke, Thomas

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LNSLNS Nur noch ganz selten kommt man heutzutage in den Genuss, dieses wohlig warme Gefühl der Bedeutungsschwere auszukosten, das einen durchflutet, wenn man seinen höchsten Verantwortungen als Arbeitgeber in dieser unseren Gesellschaft in vorbildlichster Form nachkommt: der Vergabe einer Arbeitsstelle. Der Arbeitsvertrag als Initialzündung für ein produktives Arbeitsleben, für die Teilnahme an allen sozialen Errungenschaften unserer Gesellschaft von A wie Arbeitsschutz bis Z wie Zusatzversorgung! Kein Neid – ich sitze gerade hier und formuliere den verheißungsvollen Auftakt für die hoffnungsvolle Karriere einer „jungen und dynamischen Arzthelferin“, die von „einem freundlichen Praxisteam“ gesucht wird. Die Angesprochene möge bitte „aussagekräftige Unterlagen nebst Lebenslauf und den üblichen Zeugnissen“ vorlegen. Schon will ich zum Telefon greifen, um den ortsansässigen Zeitungen die frohe Botschaft in die Rubrik „Annoncen“ zu diktieren, da . . . Halt! . . . fährt mir das neue Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dazwischen. Das geht ja schon mal gar nicht, so herrscht mich das Gesetz in rüdem Tonfall an, eine junge Arzthelferin zu verlangen, damit habe ich doch alle älteren auf die Straße gesetzt. Also muss es heißen: „. . . junge und ältere Arzthelferin!“ Und dynamisch, so schimpft das Gesetz mit mir, ist auch eine völlig unzulässige Diskriminierung, das grenzt alle Phlegmatiker aus; also, mein Lieber: „. . . dynamisch oder auch nicht!“ Mit einer Festlegung einer geschlechtlichen Priorität kann man sofort einen verlorenen Gerichtsprozess in Höhe von circa 30 000 Euro einkalkulieren, daher muss auch der „. . . Arzthelfer!“ her.
Es soll auch Menschen geben, die sich von einem freundlichen Praxisteam ausgegrenzt fühlen, daher muss man sich zu Misstönen bekennen! Andernfalls wird man verklagt und muss Schadensersatz leisten, jawoll! Wenn ich aussagekräftige Unterlagen wünschen würde, so schimpft das Gesetz weiterhin mit mir, dann meinte ich wohl welche in deutscher Sprache, dann würde ich auch alle Mitbürger diskriminieren, die dieser nicht mächtig wären! Ob ich wohl auf den Gedanken kommen würde, so zürnt das Gesetz weiter, nach dem Alter zu fragen, gar ein Foto zu fordern oder den Familienstand zu hinterfragen?! Ob ich denn noch bei Sinnen wäre? Alle Tassen im Schrank hätte?
Verkatert formuliere ich meine Anzeige neu „. . . junge oder alte, dynamische oder phlegmatische Arzthelfer oder Arzthelferin gesucht von freundlichem oder unfreundlichem Praxisteam, bitte melden unter strikter Vermeidung von Fotografien! Bitte unkenntlich zum Bewerbungsgespräch erscheinen, Fragen werden nicht gestellt, Antworten sind nicht erforderlich!“ Gänzlich verunsichert frage ich mich nun, ob mich nun Menschen verklagen könnten, die sich diskriminiert fühlen, weil sie gerne ihre Fotos auf Bewerbungsunterlagen verschicken . . .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist kein Scherz: Wenn Sie eine Stellenanzeige nicht nach dem AGG formulieren, können Klagen auf Sie zukommen. Aber eigentlich hat das von uns kaum einer zu befürchten, schließlich können wir bei den ständigen Honorareinbußen eh niemanden mehr einstellen.
Ich habe meine Anzeige fallen gelassen. Meine bewährte Halbtagskraft hat sich bereit erklärt, ihre Stelle aufzustocken. Ich bin richtig erleichtert, brauche ich doch keine Stellenanzeige mehr zu formulieren und keine Einstellungsgespräche mehr zu führen.
Trotzdem habe ich vor der nächsten Stellenanzeige Angst. Man fühlt sich als Arbeitgeber förmlich diskriminiert.

Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.

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