ArchivDeutsches Ärzteblatt8/2007Niedergelassene Ärzte: KBV-Chef Köhler sieht gute Chancen für mehr Honorar

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Niedergelassene Ärzte: KBV-Chef Köhler sieht gute Chancen für mehr Honorar

Rieser, Sabine

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Optimistisch für die Zukunft: Andreas Köhler sieht nach heftigen Auseinandersetzungen um die Gesundheitsreform jetzt eine deutlich bessere Verhandlungsposition für KBV und KVen. Foto: Georg J. Lopata
Optimistisch für die Zukunft: Andreas Köhler sieht nach heftigen Auseinandersetzungen um die Gesundheitsreform jetzt eine deutlich bessere Verhandlungsposition für KBV und KVen. Foto: Georg J. Lopata
Die KBV übt nach wie vor Kritik an der Grundtendenz der Gesundheitsreform. Doch einige Nachbesserungen eröffnen den Niedergelassenen nun auch Perspektiven.

Der Einzige, der sich nach der Reform zufrieden zurücklehnen könne, sei Dr. med. Andreas Köhler – das hat der Hartmannbund-Vorsitzende Dr. med. Kuno Winn vor Kurzem anerkennend gemutmaßt (DÄ, Heft 8/2007). Doch der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sieht dazu keinen Grund: Trotz der Nachbesserungen für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte wird das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, dem nun auch der Bundesrat am 16. Februar mehrheitlich zugestimmt hat, von der KBV weiter kritisiert.
Die Vorgaben lassen nach Köhlers Auffassung noch immer einen klaren Trend zur Staatsmedizin erkennen und erlauben vielfältige Eingriffe in Entscheidungen der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzteschaft und Krankenkassen. Auch sei es nicht gelungen, eine nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu sichern. Hinzu kommt: „Bei der Unterfinanzierung der ärztlichen Versorgung in den neuen Ländern hat sich nichts getan“, listet der KBV-Vorstand weiter auf. Die Zukunft des KV-Systems? „Die KVen müssen sich bewähren, sonst könnte das, was die Krankenkassen und ihre Verbände derzeit erleben, als Blaupause für sie dienen“, warnt Köhler.
Deutliche Verbesserungen
Allerdings hat die KBV ihre komplette Ablehnung des Gesetzesvorhabens aufgegeben. „Es hat Veränderungen gegeben, die mich dazu bewegt haben, die Chancen zu sehen“, betont Köhler und verweist auf die Regelungen zur Qualitätssicherung, zur Struktur der Versorgung und zu den Kompetenzen der Selbstverwaltung. Am deutlichsten seien Verbesserungen bei den Vorgaben zur ärztlichen Honorierung zu erkennen. „Wäre alles so geblieben wie am Anfang, hätten wir das System abwickeln müssen. Das ist nun nicht mehr der Fall“, findet der KBV-Vorsitzende. Inzwischen hält er die Chance für groß, dass die Ärzte und Psychotherapeuten von 2009 an ein besseres Honorar für ihre Leistungen erhalten.
Kein Systemausstieg
Seine neue Linie sieht Köhler nicht im Widerspruch zum Referendum unter den Vertragsärzten (DÄ, Heft 3/2007). Die Ergebnisse gäben den KVen und der KBV den klaren Auftrag, sich zu bewegen und ihre Arbeit zu verbessern, nicht aber, die „Sicherheitsstrukturen“ für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte aufzugeben. „Die meisten wollen den Systemausstieg nicht, weil sie die Risiken fürchten“, ist Köhler überzeugt. „Wenn schon, dann müsste es ein Kollektivausstieg sein, und den sehe ich im Moment nicht.“
Ihn stimmt im Hinblick auf die jüngste Gesundheitsreform vorsichtig optimistisch, was sich von 2009 an ändern könnte: „Dann sollen die bisherigen Budgets und der Grundsatz der Beitragssatzstabilität in der GKV fallen.“ Vorgesehen ist für die Zukunft ein vereinfachtes ärztliches Honorierungssystem mit festen Preisen, wenngleich nach wie vor bei bestimmten Mengenüberschreitungen abgestaffelte Preise greifen sollen. Zudem soll das Morbiditätsrisiko künftig wieder von den Krankenkassen getragen werden.
Das Bundesgesundheitsministerium schreibt dazu in einer Erläuterung wesentlicher Reformpunkte: „Die Kassen müssen ab dem 1. Januar 2009 zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen mehr Geld bereitstellen, wenn der Behandlungsbedarf ansteigt oder Leistungen aus dem stationären in den ambulanten Bereich verlagert werden.“ Weiter wird darauf verwiesen, dass die Kassen auch den Anstieg von Investitions- und Betriebskosten in Praxen vergüten müssen, der nicht durch Wirtschaftlichkeitsreserven ausgeglichen werden kann.
„Das ist eine andere Verhandlungssituation für KBV und KVen als bisher“, betont Köhler. Jahrelang hätten die Krankenkassen mit dem Grundsatz der Beitragsstabilität argumentiert, nun könnten sie sich nicht mehr ohne Weiteres darauf zurückziehen. Dem KBV-Vorstand ist gleichwohl bewusst, dass die vorgesehene Festsetzung eines einheitlichen GKV-Beitragssatzes durch die Bundesregierung die finanziellen Spielräume der Kassen eingrenzt. Doch er setzt darauf, dass sich die KBV in Zukunft in Verhandlungen mit den Kassen besser positionieren kann. Zum einen wegen der gesetzlichen Vorgaben, zum anderen, weil sie nach den umfangreichen Vorarbeiten für den oft kritisierten EBM 2000plus nun über aussagekräftigeres Datenmaterial verfügt. „Wir haben mittlerweile mehr und vor allem bessere Zahlen und können anders handeln als vorher“, betont Köhler und nennt als Beispiele Berechnungen zu Betriebs- und Investitionskosten oder Ausarbeitungen zur Messung von Morbidität.
Von Zurücklehnen kann jedoch nach Ansicht von Köhler keine Rede sein. „Das Gesetz erlegt der Selbstverwaltung zahlreiche Aufgaben und einen engen Zeitplan auf“, stellt er klar. Einzelne Passagen lassen ihn zudem vermuten, „dass schon bald wieder über Anpassungen diskutiert wird“. So sei der morbiditätsorientierte Risikoausgleich unter den Krankenkassen zwar zentraler Bestandteil des geplanten Fondsmodells. Doch wie er funktionieren solle, sei noch unklar. Köhler befürchtet, dass die Gesundheitspolitiker der Großen Koalition einen Anstieg der GKV-Beitragssätze dauerhaft nicht hinnehmen werden: „Es ist möglich, dass es in zwei, drei Jahren doch wieder Diskussionen um begleitende Kostendämpfungsgesetze gibt.“
Doch auch innerhalb des KV-Systems sieht Köhler noch viel Arbeit. Manches Ergebnis aus dem Referendum gebe einem schon zu denken, räumt er ein. So erhielten im Vergleich eher diejenigen KVen schlechte Noten, die sich mit innovativer Vertragspolitik und einem Engagement für die Qualitätssicherung profiliert hätten. „Qualitätssicherung muss als Förderung verstanden werden und nicht als eine sanktionsbewehrte Maßnahme“, wünscht sich Köhler. Vielleicht habe in den vergangenen Jahren zu sehr der erhobene Zeigefinger eine Rolle gespielt.
Sabine Rieser

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