

Henry Leide: NSVerbrecher
und
Staatssicherheit.
Die geheime Vergangenheitspolitik
der
DDR. Vandenhoeck &
Ruprecht, Göttingen,
2006, 448 Seiten,
23,2 × 15,5 cm,
gebunden, 29,90 €
Selbst in den Waldheimer Prozessen – in denen Tausende von den sowjetischen Truppen internierte Nazi- und Kriegsverbrecher durch „Ausnahmegerichte“ abgeurteilt wurden – ging es nach Leide um „den politischen Abschluss einer willkürlichen Verfolgung, nicht um Sühne für konkrete NS-Verbrechen“. Die Entnazifizierung sei für die Festigung der KPD/SED-Herrschaft genutzt worden, im Gewand des Antifaschismus.
Eng verbunden mit der Entnazifizierung war der Aufbau der geheimen politischen Polizei, der späteren Stasi. Das MfS benutzte die alten NS-Kämpen zum Aufbau der neuen Kader. Es nutzte die ihm bekannten Informationen über Aktivitäten in der Nazizeit, um Spitzel (später: IM) anzuwerben und bei der Stange zu halten. Für Prozesse gegen Naziverbrecher, mit denen der Westen vorgeführt werden konnte, lieferte das MfS Material. Sache des MfS war es aber auch, Material zurückzuhalten, sofern prominente DDR-Bürger in Gefahr waren, als Naziverbrecher verdächtigt zu werden.
Das Buch beschreibt in der ersten Hälfte den Aufbau der MfS-Strukturen und die Vergangenheitspolitik der DDR. Die andere Hälfte enthält Fallstudien, kurze politische Biografien von Tätern, die es unter beiden Diktaturen zu etwas gebracht haben. Eine spannende Lektüre. Leide, der bei der Birthler-Behörde in Rostock arbeitet, leistet Aufklärung im besten Sinn: kühl analysierend, faktenbezogen, Anklagen vermeidend – und gerade deshalb überzeugend. Norbert Jachertz
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