

Als niedergelassener Arzt in deutschen Landen fühlt man sich wie ein pathogenetisch unschuldiges Bakterium, das unter antibiotischen Beschuss geraten ist. Verzweifelnd sich abstrampelnd, eine nosokomiale Nische zu finden, immer öfter von ungestörten Arbeitsbedingungen träumend, sagen wir mal: wie in einer Petrischale. Aber nein, unser Alltag hat so ganz und gar nichts mit den freundlichen leistungsfördernden Bedingungen eines Brutschrankes gemein, in dem wir uns medizinisch voll entfalten könnten. Noch seltener finden wir bei anderen Gehör; hartnäckig hält sich das Gerücht, wir wollten nur Millionäre werden und ab Mittag Golf spielen. Aber gleich einem nährstoffoptimierten Agar, auf dem das Leben wie die Hoffnung keimt, gibt es doch noch Menschen, die einem Arzt Verständnis entgegenbringen.

Ein Patient kommt in die Sprechstunde und führt überraschenderweise keine Klage über Krankenkassenbeiträge und deren Veruntreuung durch niedergelassene Ärzte auf den Lippen. „Also, ich kann das wirklich gut verstehen, dass ihr Ärzte auf die Straße geht; ich meine, als Studenten und Assistenten bekommt ihr eh nur einen Hungerlohn, da ist es nur gerecht, dass ihr später wenigstens so viel verdient wie ein Malermeister. Leistung muss sich schließlich lohnen, nicht wahr?“ Ich bin ganz gerührt, die wohlige Wärme des Verständnisses macht sich in meinen Ventrikeln breit. Der Patient fährt fort: „Es ist eigentlich kaum zu glauben, wie ihr all die Energie aufbringt, für alle eure Patienten da zu sein, sich für die Menschen aufzureiben, wo ihr doch von Bürokratie und Regulierungswahn zermahlen werdet!“ Ich lausche ergriffen diesen ach so wahren Worten, kaum zu glauben, aber es gibt doch noch Patienten, die die Nöte von uns Ärzten tief greifend erfasst haben. Das ist Serotonin für meine geschundenen medizinischen Synapsen. Mehr! Mehr! Als hätte er meine innere Stimme gehört, setzt er nach. „Eigentlich ist es ein Rätsel, wie ihr es trotz Budgetierung immer noch schafft, uns Patienten die modernste Therapie und Diagnostik zukommen zu lassen. Es ist eine Riesensauerei, dass euer Engagement per Regress noch bestraft wird!“ Vor lauter Rührung fangen meine Glandulae lacrimales an zu sezernieren. Der Patient beugt sich vor. „Wie Sie sehen, habe ich wirklich viel Verständnis für Ihre Situation, Herr Doktor. Damit hört es allerdings abrupt auf, wenn Sie nicht endlich meine Erwerbsunfähigkeit durchkriegen, kapiert?!!“
Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener
Kardiologe in Gladbeck.