POLITIK
Krankenhäuser: Geschröpft, aber lebensfähig


Nachdem die Krankenhäuser bereits in den vergangenen Jahren durch milliardenschwere Kostendämpfungsprogramme belastet wurden, zieht der Gesetzgeber die Daumenschrauben mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) noch ein wenig fester an. Diesmal wird den Kliniken ein Sonderopfer in Höhe von etwa 380 Millionen Euro abverlangt. Zur Erklärung heißt es lapidar: „Um die Krankenhäuser als größten Ausgabenfaktor der GKV, der in der Vergangenheit überproportionale Ausgabenzuwächse aufwies, angemessen an der Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung zu beteiligen, werden sie zu einem sogenannten Sanierungsbeitrag herangezogen.“ Da ist es ein kleiner Trost, dass dieses Sonderopfer um rund 120 Millionen Euro geringer ausfällt, als noch in den Eckpunkten vorgesehen.
Der Sanierungsbeitrag ergibt sich aus folgenden Maßnahmen:
- Bei gesetzlich krankenversicherten Patienten, die nach dem 31. Dezember 2006 entlassen werden, ist von den Krankenhäusern ein Abschlag in Höhe von 0,5 Prozent des Rechnungsbeitrags vorzunehmen und auf der Rechnung des Krankenhauses auszuweisen. Dieser Abschlag ist zeitlich begrenzt. Er gilt bis zum Inkrafttreten neuer gesetzlicher Finanzierungsregelungen für die Krankenhäuser, also voraussichtlich bis zum Ablauf der DRG-Konvergenzphase Ende 2008 (DRG = Diagnosis Related Groups).
- Die Mindererlösquote wird gesenkt. Krankenhäuser, die weniger Leistungen erbringen, als in den Budgetverhandlungen mit den Krankenkassen vereinbart, erhielten bisher für die Finanzierung der Vorhaltekosten einen Anteil in Höhe von 40 Prozent der nicht erzielten Erlöse von den Krankenkassen. Dieser Anteil wird als Bestandteil des Sanierungsbeitrags rückwirkend zum 1. Januar 2007 auf 20 Prozent gesenkt. Dadurch steigt der Anreiz, realistische Fallzahlen mit den Krankenkassen zu vereinbaren.
- Für die Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung haben die Krankenkassen auch bei den Krankenhäusern Mittel einbehalten. Für die nicht zweckgebunden verwendeten Gelder besteht eigentlich eine Rückzahlungspflicht. Diese wird für die Vergangenheit gestrichen. Nicht verwendete Mittel für die Jahre 2004 bis 2006 verbleiben somit bei den Krankenkassen.
Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) belaufen sich die daraus resultierenden zusätzlichen Belastungen für die Krankenhäuser auf 380 Millionen Euro. Davon entfallen 230 Millionen Euro auf die Kürzung der Krankenhausrechnungen und 150 Millionen Euro auf die beiden anderen Maßnahmen. Die Rechtfertigung für die Zwangsabgabe sei nicht nachvollziehbar, betont DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. So habe der stationäre Sektor im Jahr 2006 mit einer Steigerungsrate von 2,7 Prozent je Mitglied in der Größenordnung der Steigerungsrate bei den durchschnittlichen GKV-Gesamtausgaben (2,6 Prozent je Mitglied) gelegen.
Das Sonderopfer wird den Krankenhäusern zu einem Zeitpunkt abverlangt, zu dem sie ohnehin außergewöhnliche Belastungen zu bewältigen haben. So haben jüngst mehr als 1 000 Krankenhäuser mit Belastungsanalysen nachgewiesen, dass ihre Kosten im Jahr 2007 wegen der Tarifabschlüsse, der Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes und der Mehrwertsteuererhöhung um mindestens fünf Prozent steigen werden. Hinzu kommt, dass die Krankenhäuser infolge des ArzneimittelversorgungsWirtschaftlichkeitsgesetzes allein im Jahr 2007 rund 330 Millionen Euro Einsparungen für die Krankenkassen erbringen müssen. Zudem sind die Energiekosten gestiegen. Bei einer gesetzlich zugestandenen Budgetsteigerungsrate von nur 0,28 Prozent in den alten und 1,05 Prozent in den neuen Bundesländern, hätte sich die ohnehin kritische Finanzlage vieler Krankenhäuser also auch ohne den zusätzlichen Sanierungsbeitrag noch einmal deutlich verschärft.
DKG-Protest vor
dem Bundesrat:
den „Sanierungsbeitrag“
zwar nicht
verhindert, aber zumindest
reduziert.
Foto: Vario Images
§ 116 b SGB V öffnet die Krankenhäuser in besonderen Fällen für die ambulante Versorgung. Im Zuge der Gesundheitsreform werden die Möglichkeiten deutlich erweitert und die Krankenhäuser berechtigt, mit hoch spezialisierten Leistungen zur Behandlung seltener Erkrankungen und bei Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen an der ambulanten Versorgung teilzunehmen – „wenn und soweit das Krankenhaus im Rahmen der Krankenhausplanung des Landes auf Antrag des Krankenhausträgers dazu bestimmt worden ist“. Bislang durften Ärzte in Krankenhäusern ambulante Leistungen nur dann erbringen, wenn sie dazu vom Zulassungsausschuss ermächtigt worden waren.
Somit können die Krankenhausträger künftig im engen Zusammenspiel mit den für die Krankenhausplanung des Landes Verantwortlichen eine entsprechende Teilnahme an der ambulanten Versorgung vereinbaren. Da die Krankenhausträger zusätzliche außerbudgetäre Einnahmen generieren wollen und die Länder kein Interesse daran haben, ihnen diese zu verweigern, ist mit vielen Anträgen und Zulassungen zu rechnen. Eine Bedarfsprüfung erfolgt dabei nicht, die Öffnung der Krankenhäuser erfolgt also unabhängig von der ambulanten Bedarfsplanung. Die Vergütungen der Leistungen werden in den Jahren 2007 und 2008 nach einem durchschnittlichen Punktwert aus den Quartalsabrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung berechnet. Regelleistungsvolumen-Beschränkungen sind nicht vorgesehen. Ab 2009 sollen die ambulanten Leistungen dann mit dem Preis für den Regelfall der Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Dies gilt auch in überversorgten Gebieten.
Konkurrenz für die niedergelassenen Fachärzte
Als einziges komplettes Fachgebiet der Medizin führt der Leistungskatalog des § 116 b SGB V die Onkologie auf. „Menschen, die an schweren oder seltenen Krankheiten leiden und eine spezialisierte Versorgung benötigen – vor allem Krebspatienten – sollen eine bestmögliche Behandlung erhalten“, erläutert das Bundesgesundheitsministerium. Der Berufsverband der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland (BNHO) hält diese Argumentation für vorgeschoben: „Die Annahme, dass Krankenhausambulanzen grundsätzlich über eine bessere Struktur- und Prozessqualität als Vertragsarztpraxen verfügen, ist durch Fakten nicht zu belegen und schlichtweg falsch“, betont der BNHO-Vorsitzende, Priv.-Doz. Dr. med. Stephan Schmitz. „Eine Versorgungslücke gibt es nicht.“ Eigentliches Ziel von Ministerin Ulla Schmidt sei es, die von ihr seit Jahren bekämpfte, weil angeblich zu teure „doppelte Facharztschiene“ aufzuheben. Die bundesweit rund 320 onkologischen Schwerpunktpraxen hätten kein Problem damit, sich dem neuen Wettbewerb mit den Krankenhausambulanzen zu stellen, unterstreicht Schmitz – „dies gilt aber nur, wenn er zu gleichen und fairen Bedingungen stattfindet“.
Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) spricht von einer „verfassungs- und gemeinschaftsrechtlich nicht haltbaren Besserstellung von Krankenhäusern gegenüber niedergelassenen Fachärzten“. Sowohl beim Zugang als auch bei der Vergütung würden die Krankenhäuser gegenüber den niedergelassenen Fachärzten bevorzugt. Die KBV verweist darauf, dass die Kliniken ihre ambulanten Leistungen unabhängig von der Bedarfsplanung erbringen können, dass sie ohne Regelleistungsvolumen-Beschränkungen nach Durchschnittspunktwerten vergütet werden und dass sie ab 2009 auch in überversorgten Gebieten die Regelvergütung erhalten.
„Die Fachärzte haben einen erheblichen finanziellen Nachteil“, ergänzt Dr. med. Werner Baumgärtner, Vorsitzender des Ärzteverbunds MEDI. Ärzte, die sich niederlassen, müssten für den Praxiseinstieg viel Geld bezahlen. Für die Kliniken entfalle diese finanzielle Belastung. „Dabei werden viele Krankenhäuser aus öffentlichen Mitteln bezuschusst, wohingegen die niedergelassenen Ärzte ihr unternehmerisches Risiko selbst tragen müssen.“ Auch Baumgärtner wirft der Bundesregierung vor, die mittelständischen Strukturen der Facharztpraxen gezielt zu zerstören: „Die politisch Verantwortlichen kennen die Konsequenzen.“
Den Krankenhäusern wird die Kritik der niedergelassenen Ärzte egal sein. Um die gestiegenen Belastungen bewältigen zu können, sind sie darauf angewiesen, die neuen Einnahmequellen zu erschließen. Und sie können sich dabei sogar auf die lukrativen Fälle konzentrieren. Denn eines ist auch klar: Patienten, deren ambulante Weiterbehandlung sich für die Kliniken nicht „rechnet“, werden wie bisher an die niedergelassenen Kollegen überwiesen. „Wir behandeln schließlich jeden Patienten“, stellt der BNHO-Vorsitzende Schmitz resigniert klar.
Jens Flintrop
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