ArchivDeutsches Ärzteblatt13/2007Patientenverfügungen: BÄK empfiehlt ausführliche Beratung

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Patientenverfügungen: BÄK empfiehlt ausführliche Beratung

Rabbata, Samir

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LNSLNS In einer Handreichung für Ärzte betont die Bundesärztekammer die Rechtsverbindlichkeit von Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen. Wie der Umgang mit solchen Willenserklärungen genau geregelt werden soll, will der Bundestag nun klären.

Nach pragmatischen Lösungen sucht man derzeit in den USA. Statt lange den mutmaßlichen Willen von sterbenskranken Komapatienten zu ergründen, lassen Forscher versuchsweise Computer die Antwort ermitteln. Die Maschine gleicht Patientendaten wie Geschlecht und kulturellen Hintergrund mit Ergebnissen aus Bevölkerungsstudien ab. Auf Knopfdruck entscheidet der Rechner dann, ob der Betroffene aller Wahrscheinlichkeit nach weiter leben möchte oder nicht.
Zu Recht wird sich diese Form von normierter Sterbehilfe in Deutschland auf absehbare Zeit nicht durchsetzen. Vielmehr diskutieren hier Ärzte, Ethiker und Politiker ebenso kontrovers wie intensiv über den richtigen Umgang mit Sterbenskranken. In diesem Frühjahr soll der Bundestag über entsprechende gesetzliche Änderungen entscheiden. Zwei Tage vor der ersten parlamentarischen Grundsatzdebatte stellte am 27. März die Bundesärztekammer (BÄK) gemeinsam mit ihrer Zentralen Ethikkommission Empfehlungen zum Umgang mit Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen vor. Die vollständige Fassung ist in diesem Heft als Bekanntgabe dokumentiert.
Rechtliche Verbindlichkeit
Darin betont die Bundesärztekammer die hohe rechtliche Verbindlichkeit von Patientenverfügungen. Ärztinnen und Ärzte dürften sich deshalb nicht über die darin enthaltenen Willensäußerungen eines Patienten hinwegsetzen. Doch könnten Situationen eintreten, die nicht konkret beschrieben oder nicht vorhersehbar gewesen seien. Daraus resultierende Fehlinterpretationen von Patientenverfügungen ließen sich reduzieren, „wenn eine bevollmächtigte Vertrauensperson als Ansprechpartner für den Arzt zur Verfügung steht“, so die BÄK. Deshalb empfiehlt die Kammer eine Kombination aus Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung.
Drei Entwürfe
Darüber hinaus raten BÄK und Zentrale Ethikkommission Ärzten, mit ihren Patienten über die Vorteile einer Vorsorgevollmacht oder einer Patientenverfügung zu sprechen. So könne der Arzt über medizinisch mögliche Behandlungsmaßnahmen informieren, auf die mit Prognosen verbundenen Unsicherheiten aufmerksam machen und über Erfahrungen mit ähnlich betroffenen Patienten berichten, heißt es in den Empfehlungen.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, hält es aber für „illusorisch“ anzunehmen, dass man alle erdenklichen Fälle mit einer Patientenverfügung abdecken kann. Deshalb sei es auch fraglich, ob ein Gesetz tatsächlich Rechtsverbindlichkeit herstelle. „Ein Gesetz wird nur neue Probleme bringen“, betont Hoppe in einem im „Spiegel“ veröffentlichten Streitgespräch mit dem Münchner Palliativmediziner Prof. Dr. med. Gian Domenico Borasio („Spiegel“ 13/2007). Manche Politiker wollten sich offenbar in jede Sterbesituation einmischen. Borasio hingegen befürwortet klare gesetzliche Regelungen. Denn viele Ärzte und Juristen seien massiv verunsichert: „Sonst würden ja nicht immer wieder gültige Patientenverfügungen missachtet.“
Bei den anstehenden parlamentarischen Beratungen für ein Patientenverfügungsgesetz müssen die Abgeordneten entscheiden, wie weit der Gesetzgeber eingreifen darf und ob eher das Selbstbestimmungsrecht oder der Schutz des Lebens in den Vordergrund gerückt werden soll. Fraktionsübergreifend stehen verschiedene Entwürfe zur Abstimmung.
In dem Entwurf der SPD-Arbeitsgruppe „Recht“ um deren Vorsitzenden Joachim Stünker kommt der Patientenverfügung höchste Priorität zu. Das Vormundschaftsgericht soll nur in Ausnahmefällen eingeschaltet werden. Dagegen will der SPD-Abgeordnete René Röspel, dass die Richter einen Behandlungsabbruch grundsätzlich genehmigen müssen. Die Gültigkeit von Patientenverfügungen wollen Röspel und andere Abgeordnete auf die Fälle beschränken, in denen die Grunderkrankung einen irrreversiblen und absehbar tödlichen Verlauf nimmt. Auch Unionsabgeordnete schlossen sich diesem Antrag an und unterstützen die Vorschläge Röspels.
BÄK-Präsident Hoppe warnt indes davor, dass eine dringend notwendige gesellschaftliche Debatte über den Umgang mit Patienten an deren Lebensende durch ein „parlamentarisches Schnellverfahren“ erstickt werden könnte. Es sei wichtig, dass sich die Bürgerinnen und Bürger mit diesem bislang tabuisierten Thema befassen. Der Bundestag könnte hierfür entscheidende Impulse setzen.
Samir Rabbata

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