POLITIK
HIV/Aids-Konferenz in Bremen: Eindämmung der Pandemie ist „Chefsache“
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Nur mit starker
politischer
Führungskraft
könne der Kampf
gegen Aids gewonnen
werden, betonte
Gesundheitsministerin
Ulla Schmidt
auf der HIV/Aids-
Konferenz in Bremen.
Foto: dpa
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E s gibt keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen“, warnte Peter Piot. Der Geschäftsführer der UN-Organisation UNAIDS sprach bei der EU-Konferenz „Verantwortung und Partnerschaft – Gemeinsam gegen HIV/Aids“ Mitte März in Bremen. Die Zahlen geben ihm recht. 2006 haben sich schätzungsweise 4,3 Millionen Menschen neu mit dem HI-Virus infiziert. Vor allem in Osteuropa steigt die Zahl der Neuinfektionen rapide. Besonders stark betroffen ist auch die Gruppe der 15- bis 24-Jährigen. 40 Prozent der HIV-Neuinfektionen weltweit fanden 2006 in dieser Altersgruppe statt.
Zum gemeinsamen Kampf gegen HIV/Aids forderte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt in Bremen die europäischen Regierungen auf: „Das HI-Virus macht an den Grenzen nicht halt. Hohe Infektionsraten in einem Land berühren immer auch die Nachbarstaaten“, betonte Schmidt. „Die Menschen müssen die Übertragungswege kennen, auch wenn es manchmal schwierig ist, über Themen wie Sex und Drogen zu sprechen. Es muss eine Sprache gesprochen werden, die klar und verständlich und kulturell akzeptabel ist“, erklärte die Ministerin. Deutschland sei vor 20 Jahren mit der Aufklärungskampagne unter dem Motto „Gib Aids keine Chance“ mit gutem Beispiel vorangegangen.
Prävention von HIV/Aids
Doch bis es so weit war, mussten viele Widerstände überwunden werden. Ihr sei damals „viel Hysterie und Angst begegnet – besonders im Kabinett“, sagte Prof. Dr. Rita Süßmuth, die von 1985 bis 1988 Bundesgesundheitsministerin war. In den 80er-Jahren sei es undenkbar gewesen, offen über Sexualität und Drogenkonsum zu sprechen. Besonders eindringlich warnte sie vor diesem Hintergrund vor überzogenen Erwartungen an Prävention und Aufklärung in den osteuropäischen Ländern. Auch in Deutschland sei es schwierig gewesen, Tabus zu brechen. Im Kabinett des damaligen Bundeskanzlers, Helmut Kohl, habe man gar darüber diskutiert, ob man Infizierte verbannen solle, erinnerte sich Süßmuth. Die Aufklärungskampagnen wollten viele auf Treue und Enthaltsamkeit auslegen. „Man muss die Menschen aber nehmen, wie sie sind“, argumentierte die ehemalige Bundestagspräsidentin. In den letzten 20 Jahren habe es viele gesellschaftliche Veränderungen gegeben, die zu einem anderen Umgang mit Sexualität geführt hätten. HIV/Aids dürfe weder verschwiegen noch verdrängt werden. Gegen eine Ausgrenzung und Stigmatisierung der Betroffenen sprach sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel aus. Seit 20 Jahren gebe es daher in Deutschland Prävention unter dem Motto „Aids geht uns alle an“.
Es sei erforderlich, betonte auch Bundesgesundheitsministerin Schmidt, „besonders gefährdete Gruppen gezielt anzusprechen“. Da Aids noch nicht heilbar sei, müsse man die Anstrengungen auf die Verhinderung der Ansteckung konzentrieren.
Neben der Prävention waren die Unterstützung der Nichtregierungsorganisationen und die Finanzierung der Pflege und Behandlung der Betroffenen Schwerpunktthemen der Konferenz. Eine Kernforderung lautete, dass der Zugang zu bezahlbaren Medikamenten für alle HIV-Infizierten gewährleistet sein müsse. In einem waren sich die Politiker einig: Das Thema HIV/Aids muss zur Chefsache gemacht werden. „Auf der Bremer Konferenz ist es gelungen, Einigkeit darüber zu erzielen, dass der Kampf gegen HIV/Aids nur mit starker politischer Führerschaft gewonnen werden kann. Das Thema gehört auf die höchste politische Ebene“, erklärte Gesundheitsministerin Schmidt. Bundeskanzlerin Merkel hat angekündigt, das Thema im Europäischen Rat einzubringen.
Sunna Gieseke
Bremer Erklärung
Gemeinsam gegen HIV/Aids
Die für Gesundheitsfragen zuständigen Minister und Regierungsvertreter der EU haben sich in Bremen auf folgende Schwerpunkte bei der Bekämpfung der HIV/Aids-Pandemie geeinigt:
Die weitere Ausbreitung der Immunschwächeerkrankung soll zum Stillstand gebracht werden. Bis zum Jahr 2010 sollen möglichst allen Betroffenen Angebote der Prävention, Behandlung, Versorgung und Unterstützung zugänglich gemacht werden. Außerdem soll die Mutter-Kind-Übertragung des HI-Virus weiter reduziert werden.
Das hohe Preisniveau von antiretroviralen Arzneimitteln stellt immer noch ein Hindernis für den universellen Zugang zur Behandlung dar. Deshalb will man auf EU-Ebene zusammenarbeiten, um den Zugang zu preiswerten Arzneimitteln zu sichern.
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