POLITIK
Nach der Gesundheitsreform: Auf dem Weg in die Einheitsversicherung


Trotz allem, was
trennt – Leienbach
und Dibbern suchen
die Nähe zur Ärzteschaft,
um für die
Zukunft Schlimmeres
zu verhindern.
Fotos: Eberhard Hahne
Das Gespräch mit Günter Dibbern, DKV Deutsche Krankenversicherung AG, und Volker Leienbach, PKV-Verband
Dreh- und Angelpunkt für die Perspektiven der privaten Krankenversicherung (PKV) im deutschen Gesundheitswesen ist die Ausgestaltung des Basistarifs. Seine verpflichtende Einführung stellt einen echten Bruch mit dem bisherigen PKV-System dar (Textkasten).
Je mehr Versicherte den Basistarif wählen, desto schlechter sind nach Ansicht von Dr. Volker Leienbach die Marktaussichten der Branche. Und: „Ist erst einmal eine relevante Zahl von Menschen im Basistarif versichert, so ist der Weg für eine weitere Vereinheitlichung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung nach der Bundestagswahl 2009 endgültig frei“, zeigt sich der Direktor des PKV-Verbandes im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt überzeugt. Denn je attraktiver das Produkt gestaltet werde, umso höher falle auch der Subventionsbedarf aus, den die PKV-Normalversicherten bezahlen müssten, und umso größer werde der Druck für diese Klientel, in den Basistarif zu wechseln, ergänzt Günter Dibbern, Vorstandsvorsitzender der DKV Deutsche Krankenversicherung AG – „und dann kommt eine Entwicklung in Gang, an deren Ende die Einheitsversicherung steht“.
Volker Leienbach
ist seit 2002 Direktor
und geschäftsführendes
Vorstandsmitglied
des
PKV-Verbandes.
Mit steigender Prämie sinkt die Attraktivität eines Tarifs. Durch die vom Gesetzgeber vorgegebene Ausgestaltung kann der Basistarif jedoch kaum preisgünstig angeboten werden. Dafür gebe es sachliche Gründe, unterstreicht Dibbern: „Vor allem ist die Wahrscheinlichkeit, dass eher schlechte Risiken in den Basistarif hineingehen, groß.“ Dies werde die Kalkulation dieses Produkts beeinflussen. Außerdem seien soziale Umverteilungselemente zu berücksichtigen, wie der Höchstbeitrag und der Annahmezwang.
Günter Dibbern
übernahm 2004 das
Amt des Vorstandsvorsitzenden
bei der
DKV Deutsche Krankenversicherung
AG.
Mit der Gesundheitsreform werden die privaten Krankenversicherungsunternehmen auch erstmals verpflichtet, ihren Kunden bei einem Wechsel zur Konkurrenz die angesparten Alterungsrückstellungen mitzugeben (im Umfang des Basistarifs). Für Kunden, die sich ab 2009 privat gegen das Risiko Krankheit versichern, gilt dies generell. PKV-Bestandskunden können nur im ersten Halbjahr 2009 unter Mitnahme der angesparten Alterungsrückstellungen das Unternehmen wechseln. Dibbern lehnt vor allem die Möglichkeit der Portabilität der Alterungsrückstellungen für die PKV-Bestandsversicherten entschieden ab: „In der Kalkulation unserer Tarife ist eine bestimmte Fluktuation innerhalb der Kohorte explizit beitragssenkend einkalkuliert“, erläutert der DKV-Chef. Dabei handele es sich um eine privatrechliche Verabredung zwischen dem Versicherten und dem Versicherer. Wenn die Politik dies als wettbewerbshemmend einstufe und deshalb ändern wolle, dann sei dies möglich, „aber nur für die Zukunft und nicht rückwirkend für den Versichertenbestand von acht Millionen Bürgern in der PKV, die sich im Vertrauen auf diese Regelung in ein Vertragsverhältnis begeben haben“. Bislang zahle derjenige, der wechselt, die Wechselkosten; künftig müssten diejenigen, die im Tarif verblieben, dafür aufkommen – „und das, obwohl es keine rechtliche Grundlage dafür gibt“.
Da die betroffenen Versicherten erst dann gegen diesen Eingriff in ihre Freiheitsrechte klagen können, wenn sie durch steigende Versicherungsprämien unmittelbar davon betroffen sind (also Ende 2009), werden zunächst die Versicherungsunternehmen, in deren Privatautonomie ebenfalls eingegriffen wurde, den Klageweg beschreiten. Darüber, welche Versicherer wann klagen, werde derzeit innerhalb der Branche intensiv nachgedacht, berichtet Dibbern, den es empört, dass es in Deutschland „überhaupt nicht mehr thematisiert wird, wenn so weitgehend in Freiheitsrechte der Bürger eingegriffen wird“.
Um zu verhindern, dass der Gesetzgeber in der nächsten Legislaturperiode endgültig die Weichen in Richtung Einheitsversicherung stellt – „die PKV steht auf der Liste ,abzuschaffen‘, die einige führen, ziemlich weit oben“ (Leienbach) –, hofft der PKV-Verband auf konzertierte Aktionen mit der Ärzteschaft: „Wer die Freiberuflichkeit der Ärzte erhalten will, muss auch ein Interesse am Überleben der PKV haben“, betont Leienbach, „die PKV ist immer auch das notwendige Korrektiv, das alle brauchen, die an Freiheit interessiert sind.“ Die freiheitlichen Strukturen im Gesundheitswesen seien nur dann zu retten, wenn man möglichst breite strategische Allianzen habe. „Private Krankenversicherung und Ärzte haben starke gemeinsame Interessen“, betont der Direktor des PKV-Verbandes, „bei allem, was jetzt kommt – Umsetzung des Gesetzes, aber auch Vorbereitung der nächsten Reform –, ist es wichtig, dass wir diese auch gemeinsam formulieren und sie dann kraftvoll nach außen vortragen. Trotz auch in Zukunft bestehender Interessenunterschiede in Einzelfragen.“
Jens Flintrop
Systemfremder Eingriff
Kalkulationsbasis beim Abschluss einer privaten Krankenversicherung ist von jeher das persönliche Krankheitsrisiko, abhängig von Alter, Geschlecht, Gesundheitsstatus. Ab 2009 müssen nun alle privaten Krankenversicherungen einen einheitlichen Basistarif anbieten, dessen Leistungen „in Art, Umfang und Höhe“ dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vergleichbar sind. Dabei darf die Prämie den durchschnittlichen Höchstbeitrag in der GKV von derzeit 500 Euro nicht übersteigen. Risikozuschläge dürfen im Basistarif nicht erhoben werden, für die Unternehmen besteht Annahmezwang. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die medizinische Versorgung der im PKV-Basistarif Versicherten sicherzustellen. Die Leistungen werden nach der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vergütet, sind aber zunächst auf das 1,8-Fache des Gebührenordnungssatzes begrenzt. Diese Vergütungsgrenze kann jedoch in Verträgen zwischen dem PKV-Verband und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) abweichend geregelt werden.
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.