ArchivDeutsches Ärzteblatt18/2007Akutes Herzinfarktrisiko bei mangelnder Clopidogrelgabe nach koronarer Stentimplantation: Schlusswort
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LNSLNS Um die Diskussion über die notwendige beziehungsweise sinnvolle Dauer der Clopidogrelgabe (zusätzlich zu lebenslang ASS) zu strukturieren, sollte man grundsätzlich nicht von „den beschichteten“ Stents reden – sondern exakter von „Medikamente freisetzenden“ Stents. Es gibt auch beschichtete Stents, wie zum Beispiel den endotheliale Progenitorzellen bindenden „Healing“-Stent, der maximal 4 Wochen Clopidogrel benötigt. A. Waltering et al. schlagen vor, die Clopidogrelgabe nach Cypher-Stentimplantation wieder auf 3 Monate zu verkürzen. Das steht im Widerspruch zu den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und könnte in Falle einer Stentthrombose zum Beispiel 4 Monate nach der Implantation zu juristischen Konsequenzen für den verantwortlichen Arzt führen. Die Anhörung der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) im Dezember 2006 und Januar 2007 ergab sogar das Gegenteil der Empfehlung von A. Waltering et al. – nämlich die nach Möglichkeit grundsätzliche Einnahmedauer von 12 Monaten. Dies wurde auch vor wenigen Wochen von 5 US-Fachgesellschaften empfohlen (AHA, ACC, SCAI, ACS, ADA). Die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) befinden sich in Vorbereitung. Wir stimmen jedoch mit Herrn Waltering überein, dass entsprechende randomisierte Studien fehlen; diese würden aber aufgrund der insgesamt seltenen Ereignisse von Stentthrombosen Patientenzahlen von circa 15 000 Patienten erfordern. Es ist richtig, dass die duale Plättchenhemmung das Blutungsrisiko erhöht, das von tödlichen Blutungen allerdings nicht – wohingegen die Mortalität einer Stentthrombose bei circa 45 % liegt.
Die kritischen Kommentare von K. Engelhardt sind zu begrüßen und treffen sicher gelegentlich zu: Eventuelle Interessenkonflikte im Zusammenhang mit Clopidogrel könnte man bei der Fragestellung „Clopidogrel statt ASS“ bei stabiler KHK diskutieren. Einen Zusammenhang zu der Empfehlung einer dualen Plättchenhemmung nach koronarer Stentimplantation (egal ob bewusst oder unbewusst) zu konstruieren, ist jedoch absurd. Die Frage, ob in Deutschland generell zu viel dilatiert wird oder nicht, ist immer noch akutell. Ich verweise auf die neuesten Ergebnisse der „Bruckenberger-Statistik“, die große regionale Unterschiede in Deutschland hinsichtlich der Mortalität im Zusammenhang mit der Herzkatheterdichte aufdeckte. Eine Reduktion der Koronarinterventionen würde zwar einerseits die in Zusammenhang hiermit stehenden Komplikationen reduzieren, andererseits wohl den „natürlichen“ Verlauf der KHK ungünstig beeinflussen.
Für die von A. Sellmayer et al. aufgeworfene Problematik der Hausärzte haben wir vollstes Verständnis. Die Verordnungsfähigkeit von Clopidogrel nach koronarer Stentimplantation muss von den Herstellerfirmen beantragt werden – die Fachgesellschaften haben hierauf keinen Einfluss. Wir können lediglich die Notwendigkeit dokumentieren. Wir stimmen voll mit A. Sellmayer et al. überein, dass der interventionelle Kardiologe die Dauer der notwendigen doppelten Plättchenhemmung festlegen muss und es nicht den Hausärzten überlässt. Der Vorschlag, dass die Krankenhäuser das Clopidogrel den Patienten für die gesamte Therapiedauer mitgeben sollten, ist grundsätzlich begrüßenswert. Wir zumindest machen es so, was allerdings durch unser Belegarztsystem erleichtert wird.
F. P. Meyer weist auf die enttäuschenden Ergebnisse der CHARISMA-Studie hin, die vor allem auf die Untergruppe der „Präventionspatienten“ zurückzuführen sind. Es scheint so zu sein, dass die Patienten umso mehr von einer doppelten Plättchenhemmung profitieren, als ein „instabiler“ Zustand mit erhöhter Aggregationsbereitschaft der Thrombozyten besteht. Dies besteht nach einer Stentimplantation bis der Stent eingeheilt ist. Wann das bei den Medikamente freisetzenden Stents der ersten Generation genau der Fall ist, bleibt ungewiss. Jeder Arzt muss sich die Frage stellen, wie lange er bei sich die duale Plättchenhemmung fortführen würde, hätte er einen Medikamente freisetzenden Stent der ersten Generation erhalten.
H. Sons geht ein heißes Eisen an: In der Tat ist die Datenlage für die Frage „Koronarintervention oder Bypassoperation“ bei ungeschützten Hauptstammstenosen oder Drei-Gefäßerkrankungen, insbesondere bei Diabetes mellitus, bislang ungenügend. Hier muss man die Ergebnisse derzeit laufender Studien, wie SYNTAX, COMBAT und FREEDOM abwarten. Bis dahin ist es sicher nicht falsch, die genannten Patienten der Herzchirurgie zuzuführen.

Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Sigmund Silber F.A.C.C., F.E.S.C.
Kardiologische Praxis und Praxisklinik
Am Isarkanal 36, 81379 München
E-Mail: sigmund@silber.com

Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

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