

Da wird eine Kollegin als „mutige Frau“ bezeichnet, die die „feindliche Übernahme“ eines Praxissitzes plant (Originalzitat eines KV-Mitarbeiters bezüglich eines solchen Vorgehens) und deren Verhalten nach Ansicht eines mir bekannten Rechtsanwalts wegen mangelnder Vertragstreue durchaus in die Nähe krimineller Handlungen gerückt werden könnte. Geradezu zynisch ist es, wenn Kollegen, die eine der verwerflichsten kapitalistischen Strategien, die oben erwähnte feindliche Übernahme, zu ihrem eigenen Handlungsprinzip erhoben haben, anderen dann Sittenwidrigkeit, Unkollegialität oder „Turbokapitalismus“ vorwerfen. Wenn jemand die Zwangslage junger Kollegen ausnutzt, dann sind es diejenigen, die die Ausbildung in Psychotherapie privatisiert haben, und diejenigen, die Akademiker mit einem abgeschlossenen Studium als „Praktikanten“ im Rahmen dieser Ausbildung unentgeltlich arbeiten lassen. Wirklich lächerlich wird es allerdings, wenn eine 47-jährige (!) Kollegin als Beispiel genannt wird für die Probleme junger Kollegen, sich eine berufliche Existenz aufzubauen. Dass dies heute im Rahmen einer Kassenzulassung überhaupt möglich ist, haben diese im Übrigen dem jahrzehntelangen Kampf der älteren Kollegen für ein Psychotherapeutengesetz zu verdanken, den viele von ihnen mit einem hohen Einsatz an Zeit und Energie, manche sogar mit ihrer Gesundheit bezahlt haben. Hat man das schon mal in den Praxiswert umgerechnet?
Dipl.-Psych. Gerhard Fischl, Allersberger Straße 90, 90461 Nürnberg