THEMEN DER ZEIT
Qualitätssicherung: Übergabe des Staffelstabs mit Dissonanzen


Die gesetzlichen Vorschriften sollten, was die Errichtung einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beauftragten Institution zur Durchführung der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung anbelangt, ernst genommen werden. Franz Knieps, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Gesundheit, sprach Klartext bei der 2. Nationalen Qualitätskonferenz des G-BA Anfang Mai in Berlin: Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz schreibe in § 137 a SGB V die fachliche Unabhängigkeit der neuen Einrichtung vor. Sollte die bisher für die externe Qualitätssicherung in den Krankenhäusern zuständige Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) mit den neuen Aufgaben betraut werden, wie im Gesetz quasi „als Wink mit dem Zaunpfahl“ angeregt werde, müssten die bisherigen BQS-Träger diese Vorgaben akzeptieren. Knieps erwartet von der neuen Einrichtung eine stärkere wissenschaftliche Ausrichtung und insbesondere den Ausschluss der Einflussnahme der verschiedenen Interessengruppen. Unverständnis äußerte er gegenüber der Entscheidung der BQS-Gesellschafterversammlung vom 24. April, sich wegen unterschiedlicher Auffassungen zur künftigen Ausrichtung und Tätigkeit der BQS mit sofortiger Wirkung von ihrem Geschäftsführer, Dr. med. Volker D. Mohr, zu trennen.
Die BQS-Gesellschafter – das sind die GKV-Spitzenverbände, der PKV-Verband, die Bundesärztekammer (BÄK), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und seit Kurzem auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) – sind da anderer Ansicht. Als Vorsitzender der Gesellschafterversammlung antwortete H. Theo Riegel, Leiter der Abteilung „Stationäre Einrichtungen“ beim Verband der Angestellten-Krankenkassen, direkt auf die Vorhaltungen von Knieps. Selbstverständlich müssten die Gesetze befolgt werden. Aber: „Wir haben schon viele Gesetze kommen sehen, wir haben viele Gesetze gehen sehen.“ Mit Stolz könnten die Beteiligten darauf zurückblicken, das BQS-Verfahren über einen langen Zeitraum zur heutigen Reife entwickelt zu haben. Und natürlich könne man als einer der Gesellschafter nicht glücklich darüber sein, wenn einem diese Einrichtung aus der Hand genommen werde.
BQS-Träger: Unabhängigkeit gewährleistet
Dabei gebe es überhaupt keinen Einfluss der BQS-Trägerorganisationen auf die inhaltliche Arbeit der BQS-Fachgruppen, betonte Riegel. An deren Arbeit seien alle jeweils Betroffenen beteiligt. Die bisherige Organisationsstruktur gewährleiste am ehesten die reibungslose Übernahme der neu hinzugekommenen Aufgaben; die Rolle der Trägerschaft der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung werde überbewertet.
In ähnlicher Weise argumentiert die Bundesärztekammer. Die BQS habe sich als gemeinnützige GmbH seit 2001 zu einem allgemein anerkannten Leistungsträger für fachlich unabhängige Qualitätssicherung im stationären Bereich entwickelt. Gerade wegen ihrer fachlichen Unabhängigkeit und der engen Vernetzung mit der Landesebene stelle die BQS eine für die Entwicklung und Umsetzung der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung prädestinierte Institution dar. Anstatt anerkennend zur Kenntnis zu nehmen, dass aus der Selbstverwaltung heraus solche Strukturen entwickelt wurden, werde nun der Selbstverwaltungscharakter der BQS als inkompatibel mit der geforderten fachlichen Unabhängigkeit angesehen. Auch der DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum äußerte Vorbehalte gegen die externe Qualitätssicherung durch eine neue Einrichtung, die nicht mehr direktes Organ der gemeinsamen Selbstverwaltung ist.
Rainer Hess:
„Mir ist am heutigen
Tag erst bewusst
geworden, was wir
für Dimensionen zu
bewältigen haben.“
Fotos: Stephan Wieland/GBA
Als allgemeine Ziele der künftig beim G-BA verankerten Qualitätssicherung nannte Hess:
– Beibehaltung bewährter sektorbezogener Qualitätssicherungsmaßnahmen (kein Systembruch),
– Einführung sektorengleicher Maßnahmen,
– Prioritätensetzung für sektorenübergreifende Maßnahmen und Durchführung von Modellprojekten,
– Einführung sektorenübergreifender und gegebenenfalls Umstellung bisheriger Maßnahmen.
Gratulation an den G-BA zur
Übernahme neuer Aufgaben
Den gesundheitspolitischen Stellenwert der zweitägigen Veranstaltung brachte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt demonstrativ zum Ausdruck, indem sie an beiden Tagen als Rednerin auftrat. Auch sie sprach von Einzelinteressen, die bei dem künftigen Qualitätsinstitut nicht mehr zum Zuge kommen dürften, und gratulierte dem G-BA in Person von Rainer Hess zur Übernahme der neuen Aufgabenbereiche. Qualitätssicherung sei in Zukunft nur möglich im Zusammenspiel von Politik und Selbstverwaltung. Letztere müsse aus ihren Reihen Projekte der Qualitätssicherung entwickeln; für eine flächendeckende Umsetzung sei man aber auf gesetzliche Vorschriften angewiesen.
Ulla Schmidt betonte mehrfach, dass hinsichtlich der Verantwortung für die Qualitätssicherung der Staffelstab nunmehr vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf den Gemeinsamen Bundesausschuss übergehe. Sie bezog sich dabei auf das seit 16 Jahren vom BMG geförderte Modellprogramm Qualitätssicherung, das ausläuft. Dieses Programm sei ein wichtiger Schrittmacher gewesen, „um neue Ansätze der Förderung der Qualität zu entwickeln, zu erproben und sie der Praxis zur Verfügung zu stellen.“ Die Qualitätssicherung werde nun „in die Verantwortung der gemeinsamen Selbstverwaltung übergeben“. An den G-BA-Vorsitzenden gewandt, sagte Schmidt: „Ich bin sicher, dass der Staffelstab bei Ihnen in guten Händen ist.“ Dies bedeute aber keinen kompletten Rückzug der Politik aus der Förderung der Qualitätssicherung; man werde auch weiterhin gezielt etwa Projekte der Versorgungsforschung finanzieren.
Einigkeit bestand darin, dass die Patienten von der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung durch die neue Einrichtung profitieren sollen. „Wir brauchen eine einheitliche Informationsplattform für die Patienten, wo diese sich über die Qualität in der Versorgung informieren können“, betonte Rainer Hess. Für die seriöse Information benötige man allerdings risikoadjustierte Daten, sodass mit einer schnellen Umsetzung nicht zu rechnen sei.
Ulla Schmidt:
„Denken Sie doch
ein paar Jahre
zurück; da war es
unmöglich, über
Fehler in der Medizin
zu reden.“
Überraschend deutliche Worte zur künftigen Bedeutung der Qualitätssicherung im ambulanten Bereich kamen vom Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. med. Andreas Köhler. Er kündigte für die Zukunft einen krassen Bruch mit dem bisherigen System der Honorarverteilung an. Die Höhe der ärztlichen Vergütung müsse der Qualität der ärztlichen Leistung folgen. „Wir können nicht mehr alle Ärzte gleich lieb haben“, sagte Köhler. Die nach Qualitätskriterien indifferenzierte Vergütung habe der Qualität der ärztlichen Versorgung nicht unbedingt gutgetan. Köhler verwies allerdings auf das schon bestehende starke Engagement der KBV bei der Qualitätssicherung. Im ambulanten Bereich sei die Erbringung vieler Leistungen nur auf der Grundlage bestimmter Qualifikationen möglich. Köhler sieht es als sehr wichtig an, eine Qualitätskultur zu entwickeln, in der Qualitätssicherung selbstverständlich sei. „So weit sind wir aber bei Weitem noch nicht.“ Gleichzeitig warnte Köhler jedoch davor, mit überzogenen Forderungen ein „bürokratisches Monster“ jenseits der Versorgungsrealität zu schaffen.
Man könne nicht alles regulieren, man sollte die Stellschrauben nicht überdrehen, sekundierte ihm KBV-Dezernent Dr. med. Bernhard Gibis, zuständig für Qualitätssicherung. Ein bestimmtes Maß an Unschärfe sei unvermeidlich. Aber die KBV habe sich auf den Weg zu „pay for performance“, das heißt die Verknüpfung von Honorar mit bestimmten Qualitätsindikatoren, gemacht. Dieser Weg sei unvermeidlich, da die homogene Versorgungslandschaft sich immer mehr als Konstrukt erweise und die Diversifizierung der Leistungserbringung voranschreite. Nicht auszuschließen sei etwa, führte Gibis aus, dass wirtschaftliche Gründe bei der Indikationsstellung eine Rolle spielten. Als mögliches Beispiel nannte er die Zuweisung von Patienten in leer stehende Betten durch Medizinische Versorgungszentren an den Krankenhäusern selbst. Die KBV müsse kontrollieren, wo es Leistungen ohne medizinische Indikation gebe. Er wünsche sich aber den Erhalt der therapeutischen Freiheit im wohlverstandenen Sinne. Die ärztliche Tätigkeit sei jedoch keine Kunst, sondern müsse über eine regelgerechte Dokumentation zu einer nachvollziehbaren Leistungserbringung werden.
Thomas Gerst
Hopf, Hans-Bernd
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