ArchivDeutsches Ärzteblatt22/2007Akupunktur bei chronischen Schmerzen: Des Kaisers neue Kleider
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LNSLNS Indem sie versuchen, die Akupunkturinterventionen zu standardisieren, tragen die GERAC-Studien dazu bei, Licht in eine Szene zu tragen, die geprägt ist von pseudowissenschaftlichen Behauptungen und dem Gemenge wohlig gepflegter, jedoch überholter Vorstellungen. Bedürfnisorientiertheit, Wunsch nach Heilung und Schmerzlinderung ist aber immer noch kein Garant für Evidenz:
- Zwischen den Ergebnissen von Verum- und Shamakupunktur (beliebige Punkte) besteht kein signifikanter Unterschied. Das heißt, der nostalgisch-poetische Hintergrund mit Aufsuchen geheimnisvoller Körperpunkte, der angeblich nur durch aufwendiges und erfahrungsreiches Vermitteln erlernt werden kann, ist hinfällig.
- Der Verdacht, dass Patienten von therapeutischer Zuwendung, in welcher Form auch immer, profitieren, wird erhärtet. Daher ist es konsequent, wenn bei orthopädischer Standardtherapie – im Wesentlichen nur unterschieden durch die Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika – mehr Krankengymnastik und bei beiden Akupunkturgruppen mehr zuwendungsintensive Akupunktur verlangt wird.
- Der Bedarf an Akutmedikation gegen Migräne war nach Studienende in den 3 Behandlungsarmen nahezu gleich und mit 90 % fast unverändert zum Bedarf bei Studienbeginn. Das Weglassen der Option einer Serotoninmodulation bei der Standardtherapie mag deren tendenziell schlechteres Abschneiden erklären.
Wenn der Gemeinsame Bundesausschuss schon meint, er müsse dem kollektiven Meinungsdruck entsprechen und andererseits der volkswirtschaftlichen Präferenz in der Medizin Rechnung tragen, dann sollte er eher zur Shamakupunktur raten. Denn hierbei war, bei den wenigsten schweren unerwünschten Ereignissen, auch der niedrigste Analgetikaverbrauch festzustellen.
Es heißt, „noch kein wissenschaftliches Kleid…“ wurde für die Akupunkturwirkung gefunden. Muss hier überhaupt ein Kleid gefunden werden?

Dr. med. Michael Fietzek
Allgemeinmediziner
Hardterstraße 52
72649 Wolfschlugen

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