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Fernsehsendung: Bluff um Nierenspende


Bereits im Vorfeld war auch in der niederländischen Öffentlichkeit intensiv über die Ausstrahlung der Show diskutiert worden. „Geschmacklos“, „unmoralisch“ und „menschenverachtend“ waren die Stichworte, die fielen. Der Sender BNN berief sich jedoch auf die Pressefreiheit und behauptete, er wolle auf den Mangel an Organspendern hinweisen und für die Bereitstellung von mehr lebenswichtigen Organen werben. Nach Ausstrahlung der Sendung wandelte sich dann in den Niederlanden größtenteils die öffentliche Meinung. So äußerte sich der sozialdemokratische Kulturminister, Ronald Plasterk, der die angekündigte Nierenspende Tage zuvor noch scharf kritisiert hatte, begeistert. Er bezeichnete die Sendung als „sehr intelligent“. Der Verband der niederländischen Nierenpatienten erklärte: „Wir sind alle auf den Arm genommen worden. Aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass das Problem nun ein Gesicht hat.“ Finanzminister Wouter Bos sagte, er überlege, niederländischen Bürgern Pässe unentgeltlich oder günstiger ausstellen zu lassen, wenn sich jemand als Organspender registrieren lasse. Nach Auflösung des Bluffs erscheint die Sendung zwar in einem anderen Licht. Es bleibt allerdings dahingestellt, ob es dem Sender nicht doch vorwiegend um Quoten ging. Schließlich hatte die Sendung das zweitbeste Einschaltergebnis aller Zeiten in den Niederlanden. Der Pressesprecher der konservativen Regierungspartei CDA, Joop Atsma, bezeichnete die Sendung als geschmacklosen Werbegag. Aber selbst wenn es tatsächlich beabsichtigt war, auf die Organspenderealität in Europa hinzuweisen, und auch wenn „in sieben Tagen hier mehr über Organspenden gesprochen worden ist als zuvor in sieben Jahren“, wie der Sender mitteilte, ist das Konzept eines solchen „Organ-TVs“ nicht weniger fragwürdig. Denn, so die niederländische Ärztevertretung KNMG: „Ein großer Teil der Bevölkerung denkt jetzt, man müsse todkrank sein, um Organe zu spenden. Dabei betreffen 40 Prozent aller Spenden Menschen in bester Gesundheit.“ Und ist es für die Steigerung der Organspendezahl nicht besser, seriös und ohne Angstmacherei die Bevölkerung aufzuklären?
Chefin vom Dienst
Ausserehl, Peter
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