POLITIK
Telekommunikationsüberwachung: Unter staatlicher Beobachtung
DÄ plus


Ulrich Oesingmann:
Abhörverbote,
Zeugnisverweigerung,
Berufsgeheimnis
sind Ausdruck der
Bürgerrechte.
Als „Einbruch in angestammte Bürgerrechte“ hat der Bundesverband der Freien Berufe (BFB) die geplante Ausdehnung staatlicher Überwachungsmaßnahmen verurteilt, die der Referentenentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vorsieht. Im Zusammenhang mit dieser Neuregelung soll auch die europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten umgesetzt werden. Künftig müssen Telekommunikationsanbieter sämtliche Telefon- und Internetverbindungsdaten sechs Monate lang speichern und Sicherheitsbehörden zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr den Zugriff auf diese Daten ermöglichen.
In einer gemeinsamen Erklärung haben der BFB, die Bundesärztekammer (BÄK), die Bundeszahnärztekammer, der Deutsche Anwaltverein e.V. und der Deutsche Journalisten-Verband den Gesetzesentwurf scharf kritisiert. Die Kritik richtet sich vor allem gegen die geplante Differenzierung beim Zeugnisverweigerungsrecht sogenannter Berufsgeheimnisträger. So soll nach dem Entwurf nur die Kommunikation mit Geistlichen, Strafverteidigern und Abgeordneten durch ein absolutes Erhebungs- und Verwertungsverbot geschützt werden, wohingegen alle anderen Berufsgeheimnisträger, wie Ärzte, Psychotherapeuten, Rechtsanwälte, Journalisten, „nach einer sorgfältigen Verhältnismäßigkeitsabwägung im Einzelfall in Ermittlungsmaßnahmen einbezogen werden dürfen“, so das Bundesjustizministerium.
Christoph Fuchs:
Jegliche berufliche
Kommunikation eines
Arztes muss
geschützt werden.
Fotos: Georg J. Lopata
Auch andere von der Neuregelung betroffene Berufsgruppen warnen vor der Aushöhlung des Zeugnisverweigerungsrechts und sehen die Bürgerrechte ernsthaft gefährdet. Zur Privatsphäre gehöre, „dass der Bürger sich mit Ärzten und Rechtsanwälten, Steuerberatern und Psychotherapeuten, Zahnärzten und Wirtschaftsprüfern rückhaltlos offen unterhalten und damit die Grundlage für eine umfassende Beratung auch gegenüber dem Staat schaffen kann“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Ebenso umfasse die Pressefreiheit auch das Zeugnisverweigerungsrecht der Journalisten. Die Privilegierung einzelner Berufsgruppen sei deshalb nicht zu rechtfertigen, meinte BFB-Präsident Dr. Ulrich Oesingmann. Ähnlich sieht das auch der Bundesdatenschutzbeauftrage Peter Schaar, der im kürzlich vorgelegten Tätigkeitsbericht ein „einheitliches und hohes Schutzniveau für Gespräche mit allen Arten von Berufsgeheimnisträgern“ fordert. Darüber hinaus ist das letzte Wort über die Vorratsdatenspeicherung noch nicht gesprochen: So hat der Europäische Gerichtshof in einer anhängigen Klage über die Frage der Rechtmäßigkeit bislang nicht entschieden.
Heike E. Krüger-Brand
Im Internet abrufbar unter
www.aerzteblatt.de/plus2007
- Gemeinsame Erklärung „Bürgerrechte in Gefahr“
- Referentenentwurf „Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG“
Wriede, Marlies