ArchivDeutsches Ärzteblatt24/2007Medizinstudium: Alte Missstände aufgedeckt

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Medizinstudium: Alte Missstände aufgedeckt

Hibbeler, Birgit

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Dr. med. Birgit Hibbeler Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik
Dr. med. Birgit Hibbeler Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik
Wo werden eigentlich Medizinstudierende auf den Berufseinstieg vorbereitet? In den Vorlesungen an der Universität, während der Famulaturen oder in den Blockpraktika? Bislang schien das irgendwie automatisch zu laufen. Allerdings zeigt sich nun, dass die Studierenden die Vorbereitung auf das praktische Jahr (PJ) zu einem großen Teil schlicht selbst übernommen haben: Vor dem zweiten Staatsexamen verbrachten sie mehrere Monate am Schreibtisch und hatten im Anschluss in der Regel zumindest eine Grundidee von allen Bereichen der Medizin. Doch das ist jetzt vorbei: Nach der neuen Ärztlichen Approbationsordnung (ÄAppO) gehen die Jungmediziner ohne Prüfung ins PJ. Erstes, zweites und drittes Staatsexamen wurden durch den Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M 2, „Hammerexamen“) ersetzt, der jedoch erst nach dem PJ stattfindet. Nicht ohne Folge: Die Studierenden gehen deutlich schlechter vorbereitet in die Klinik als früher, so die Erfahrung in vielen akademischen Lehrkrankenhäusern.
Für die Fakultäten ist die neue ÄAppO eine echte Herausforderung. Und so war sie ein Thema des Medizinischen Fakultätentages (MFT) in Aachen. Ein homogenes Meinungsbild in den Fakultäten dazu aber gibt es nicht. Eine Forderung lautet, das „Hammerexamen“ in einen theoretischen Teil vor dem PJ und einen mündlich-praktischen Teil danach aufzusplitten. Für andere steht die zeitliche und organisatorische Entlastung im Vordergrund. Sie fordern eine Verkürzung der mündlichen M-2-Prüfung von zwei auf einen Tag. Manche Dekane sehen unterdessen die Fakultäten in der Pflicht. „Die Universitäten haben mehr Einfluss eingefordert. Jetzt müssen sie auch etwas dafür tun“, forderte Prof. Dr. med. Udo Obertacke, Medizinische Fakultät Mannheim. Er warnte davor, in einer emotional geführten Debatte das neue Examen vorschnell zu beurteilen. Schließlich sei es erst zweimal durchgeführt worden. Diese Ansicht teilt Prof. Dr. med. Dr. h. c. Gebhard von Jagow, MFT-Präsident. Er mahnt zur Besonnenheit und plädiert dafür, zunächst weitere Examen abzuwarten, bevor man zu einer Bewertung komme.
Fest steht: Das alte Studium passt nicht mehr zu der neuen Prüfungsordnung. Im schriftlichen Teil des M 2 beispielsweise stellt das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) nun die Mehrheit der Fragen anhand von Fallbeispielen. Das problemorientierte Lernen an den Fakultäten hat aber noch nicht überall Einzug gehalten. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass die Studierenden in den ersten bei-den Durchgängen der neuen IMPP-Prüfung deutlich schlechter abschnitten als bei dem alten zweiten Staatsexamen. Unklar bleibt indes, ob die Resultate des „Hammerexamens“ überhaupt aussagekräftig sind, denn die Teilnehmerzahl war gering. Trotzdem ist die Verunsicherung unter den Studierenden groß. Viele von ihnen wollen nach dem PJ ein Lernsemester einlegen.
Das „Hammerexamen“ hat alte Mängel in der medizinischen Ausbildung aufgedeckt. Abgesehen davon bietet es allerdings keine Vorteile gegenüber den früheren Prüfungen. Ein Multiple-Choice-Examen über den gesamten klinischen Studienabschnitt hat nach dem PJ einfach keinen Sinn. Es ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass die ÄAppO in absehbarer Zeit wieder geändert wird. Jetzt sind also die Fakultäten gefordert, die Studierenden besser auf das PJ und das „Hammerexamen“ vorzubereiten. Denn gute Ausbildung darf kein Zufall sein.

Dr. med. Birgit Hibbeler
Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik

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