MEDIZINREPORT
Medizinische Einmalprodukte: Wiederaufbereitung hinterlässt augenfällige Spuren


Rötliche
Auflagerungen
am Gelenk einer
Ultraschallschere
nach einmaliger
Betätigung.
Fotos: Haindl
Die Aufbereitung von Medizinprodukten, die vom Hersteller zur einmaligen Benutzung bestimmt sind, ist in Deutschland – im Gegensatz zu anderen Ländern – nicht ausdrücklich verboten. Daher hat sich eine Vielzahl von Firmen etabliert, die den Krankenhäusern die mehrfache Aufbereitung von Einmalprodukten anbieten. Sie betonen, mit validierten und sicheren Verfahren zu arbeiten, sodass die Patientensicherheit gewährleistet sei. Klinische Belege für diese Behauptung bleiben sie allerdings schuldig. Für die Krankenhäuser ist die Aufbereitung deshalb interessant, weil unter den neuen Kostenerstattungsregelungen nach den „Diagnosis Related Groups“ (DRGs) Rationalisierungsgewinne, die sich beim Einsatz von Sachmitteln erzielen lassen, dem Krankenhaus verbleiben, auch wenn dies von manchen Krankenkassen anders gesehen wird.
Die Redaktion der Fernsehsendung „Kontraste“ versuchte bei Recherchen für eine Sendung herauszufinden, wie verbreitet die Aufbereitung von Einmalprodukten in deutschen Krankenhäusern ist. Weiterhin erteilte sie dem Autor einen Gutachtenauftrag zur Untersuchung von aufbereiteten Einmalprodukten, die die Redaktion Kontraste aus verschiedenen Krankenhäusern erhalten hatte. Hierfür wurden Einmalprodukte drei verschiedener Hersteller untersucht, die von vier verschiedenen Aufbereitern aufbereitet worden waren. Aus Gründen des Informantenschutzes hat der Gutachter teilweise nicht erfahren, aus welchen Häusern die untersuchten Produkte stammten, beziehungsweise wenn er es erfahren hat, ist er vom Auftraggeber zur Verschwiegenheit darüber verpflichtet worden.
Es muss festgehalten werden, dass innerhalb dieser Stichprobe keine Produkte zu finden waren, die auch nur annähernd auf dem Qualitätsniveau eines Neuprodukts waren. Man mag vielleicht darüber streiten, wie relevant für die Patientensicherheit Kratzspuren, Rauigkeiten und Erosionen der Katheteroberfläche bei einem relativ kurzzeitig eingesetzten Katheter sind. Es gibt aber keinen Zweifel darüber, dass Fremdeiweißreste auf der Oberfläche eines Katheters nicht dem Qualitätsstandard eines Neuprodukts entsprechen.
Die Mehrzahl der untersuchten 30 Produkte ist mit Fremdmaterialien kontaminiert, teils in flüssiger, teils in fester Form. An zahlreichen Produkten findet man Blutreste, die mit dem bloßen Auge, spätestens aber mit einer Lupe erkennbar sind. Nicht einmal völlig offen liegende Eiweiß- und Blutverschmutzungen sind zuverlässig entfernt worden. Umso mehr gilt dies natürlich im Inneren von Gerätschaften.
Die Verpackung vieler Produkte entspricht nicht dem Standard, der bei der vorgesehenen Lagerdauer zu fordern ist. Die Rückverfolgbarkeit ist bei fast allen Produkten nicht gegeben.
Ohne Ansehen des Herstellers und des Aufbereiters lässt sich sagen, dass alle Produkte potenzielle Risiken für den Patienten bergen – seien dies offensichtliche Risiken, wie grobe Blut- und Eiweißverschmutzungen oder scharfe Grate, oder schwer abzuschätzende Risiken, wie Kontamination mit Reinigungs- oder Desinfektionsmitteln oder diskreten Eiweißresten.
Die von den meisten Aufbereitern herausgestellten Hightechverfahren, die nach ihren Angaben sämtlich validiert sein sollen, sind nach den Ergebnissen der Untersuchung infrage zu stellen. Das Ergebnis mancher Reinigung lässt Zweifel aufkommen, ob die Aufbereiter über die erforderliche Sachkenntnis und Zuverlässigkeit verfügen.
Beispiele
Sterilisation mit ETO-Gas
Alle untersuchten Produkte sind von den Aufbereitern mit Ethylenoxid sterilisiert worden. Ethylenoxid ist ein hochgiftiges und krebserregendes Gas, das sich in bestimmten Kunststoffen anreichert und nur langsam wieder abgegeben wird; es sollten nur Produkte damit sterilisiert werden, die von der Konstruktion und der Materialwahl für die Ethylenoxidsterilisation vorgesehen sind. Einige der untersuchten Produkte werden aber primär mit Gammastrahlen sterilisiert. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass diese für die Ethylenoxidsterilisation geeignet sind. Die Tatsache, dass 100 Prozent der untersuchten Dissektionshaken Beschädigungen in Form von Rissen im Gehäuse aufweisen, ist möglicherweise darauf zurückzuführen.
Auflagerungen von Eiweiß- und
Blutbestandteilen
Im Standardwerk der Sterilisation von Wallhäußer (5. Auflage 1995) steht, bezogen auf die Gassterilisation, auf Seite 297 folgender Satz: „Da ein direkter Kontakt des Gases mit der Mikroorganismenzelle erforderlich ist, versagen diese Verfahren (Gassterilisation), wenn die Kontaminationskeime in Kristallen, Proteinpartikeln oder Schmutzhüllen eingeschlossen sind.“
Auflagerungen an einem Koagulationshaken
Auch unabhängig von der Störwirkung auf die Gassterilisation, kann das Einbringen von Fremdeiweiß in den Patienten nicht hingenommen werden. Es muss davon ausgegangen werden, dass eingebrachtes Fremdeiweiß Reaktionen des Immunsystems auslöst, deren Art und Ausmaß nicht vorhersagbar sind. Auch wenn die Auswirkungen in den meisten Fällen geringgradig sein werden, zum Beispiel Fieberentwicklung, gibt es doch zahlreiche Krankheitsbilder, die als immunologische Auseinandersetzung mit Fremdeiweiß interpretiert werden, die schwerwiegende Folgen für den Patienten haben. Hier ist beispielsweise die Serumkrankheit zu nennen.
Scharfe Grate nach kratzender Bearbeitung am Gelenk einer
Ultraschallschere
Störung von funktionsentscheidenden Merkmalen
Bei Ultraschallscheren wurden zahlreiche Beschädigungen im Bereich der Klemmbacke gefunden. Teilweise war der Tefloneinsatz der Klemmbacke zerkratzt, teilweise saß die Klemmbacke nicht mehr in der richtigen Position. Bei anderen Ultraschallscheren waren die Klemmbacken ausgewechselt, die Sicherung gegen Verschieben, die der Hersteller anbringt, war entfernt. Dadurch kam es zu einer Verschieblichkeit der Klemmbacke. Die ordnungsgemäße Funktion des Produkts an dieser Stelle ist für den Patienten sicherheitsentscheidend. Mit Ultraschallscheren werden Blutgefäße bis zu fünf Millimetern Durchmesser verschweißt, Fehler bei dieser Verschweißung können eine Nachblutung zur Folge haben. Dies bedeutet für den Patienten in der Regel eine Nachoperation, im schlimmsten Fall das Verbluten.
Beschädigungen der Produkte mit Verletzungsgefahr für den Patienten
Aufbereitete Ultraschallscheren sind offensichtlich durch das Auskratzen von Spalten mit harten Gegenständen von Rückständen gereinigt worden. Dies hat zur Ausbildung von scharfkantigen Graten an der Oberfläche der Instrumente geführt, die für den Patienten eine unmittelbare Verletzungsgefahr darstellen. Es kann damit unbeabsichtigt zu Blutungen oder gar zur Verletzung von unbedingt zu schonenden Strukturen, etwa Nerven, kommen. Die Hersteller betreiben einen hohen Aufwand, um die Oberflächen ihrer Produkte atraumatisch zu gestalten. Es ist nicht hinnehmbar, dass durch unsachgemäße Reinigung hier Risiken für den Patienten entstehen.
Auslösung unerwünschter Wirkungen bei Ultraschallinstrumenten
Im Inneren der Ultraschallinstrumente schwingt eine Sonotrode mit hoher Frequenz. Die Sonotrode wird auf der Länge des Schafts an bestimmten Stellen durch Silikonringe geführt. Die ordnungsgemäße Anordnung und die Unversehrtheit dieser Ringe stellt sicher, dass es am Schaft der Instrumente nicht zu einer übermäßigen Wärmeentwicklung kommt, die zu Verbrennungen des Patienten führen könnte. Bei einigen der Ultraschallinstrumente sind diese Silikonringe stark beschädigt gewesen, und es ist anzuzweifeln, ob sie ihre Funktion noch erfüllen können.
Dem Neuprodukt sind zusätzlich wärmeisolierende Hülsen für den Schaft beigepackt, um Wärmeschäden am Gewebe zu vermeiden. Diese Hülsen fehlen bei den aufbereiteten Dissektionshaken.
Beschädigung von Katheteroberflächen
Auf Fremdmaterialien in Blutgefäßen siedeln sich, sofern diese nicht besonders blutkompatible Oberflächeneigenschaften haben, schon nach kurzer Zeit Blutplättchen an, die gerinnungsaktivierende Botenstoffe aussenden. Dies führt zu einer Bildung von Blutgerinnseln auf der Oberfläche von Kathetern. Die Hersteller haben in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen, die Oberflächen von Kathetern zu verbessern, um die Thrombogenität zu verringern. Hinsichtlich des Langzeiteinsatzes von Kathetern ist die Überlegenheit moderner Katheteroberflächen belegt.
Auf den untersuchten Kathetern lassen sich mittels eines Rasterelektronenmikroskops Reste von Biofilmen nachweisen, und die Oberflächen weisen teilweise erhebliche Beschädigungen auf, die am ehesten durch das Bearbeiten mit harten Bürsten zu erklären sind.
Inwieweit auch bei kurzzeitig eingesetzten Kathetern die Thrombenbildung auf der Katheteroberfläche für den Patienten problematisch sein kann, ist nach heutigem Wissensstand unklar. Patientenschädigungen durch embolisiertes Thrombenmaterial, das von beschädigten Katheteroberflächen abgestreift wird, sind aber nicht auszuschließen. Solange nicht der aktive Beweis geführt ist, dass die Beschädigungen der Katheteroberfläche ohne Belang für die Patientensicherheit sind, hat der Patient den Anspruch darauf, nach dem Stand der Technik, also mit wenig-thrombogenen Kathetern behandelt zu werden.
Reaktion der Aufbereiter
Es soll nicht verschwiegen werden, dass einer der Aufbereiter inzwischen gegen den Sender des „Kontraste“-Beitrags klagt. Er behauptet, die erhobenen Befunde könnten nicht aus seinem Haus kommen, und die Produkte müssten vor der Übergabe an den Gutachter manipuliert worden sein. Alle Produktverpackungen sind durch den Gutachter sorgfältig untersucht worden, und es wurden keine Anzeichen für Manipulationen gefunden.
Zur Kontrolle wurde eine weitere Stichprobe von Instrumenten untersucht, bei der die Instrumente von einem Notar in Krankenhäusern übernommen und an den Gutachter geliefert wurden. Auch die Instrumente dieser Stichprobe weisen erhebliche Mängel auf. n
Dr. med. Hans Haindl
Öffentlich bestellter Sachverständiger
für Medizinprodukte
Georgsplatz 1, 30974 Wennigsen
E-Mail: haindl@t-online.de
Erklärung des Gutachters:
Der Gutachter hat die Untersuchung im Auftrag des Rundfunks Berlin-Brandenburg durchgeführt und erklärt, dass er mit keinem der Wiederaufbereiter und mit keinem der Hersteller der untersuchten Produkte in vertraglicher Beziehung steht oder finanziell von einer dieser Parteien abhängig ist.
In 2006 und 2007 hat der Autor fünf Gutachten für Hersteller von potenziell aufbereiteten Einmalprodukten erstellt (einmal Aesculap, zweimal Cordis, einmal ethicon, einmal S + N).