ArchivDeutsches Ärzteblatt25/2007Überleitung des Chefarztgehalts auf den neuen Tarifvertrag: Die DKG irrt sich gewaltig

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Überleitung des Chefarztgehalts auf den neuen Tarifvertrag: Die DKG irrt sich gewaltig

Baur, Ulrich

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Rechtsanspruch auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/ VKA haben alle Chefärzte, mit denen eine Vergütung nach BAT I vereinbart wurde. Foto: DAK/Scholz
Rechtsanspruch auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/ VKA haben alle Chefärzte, mit denen eine Vergütung nach BAT I vereinbart wurde. Foto: DAK/Scholz
Entgegen der Meinung der DKG ist ein BAT-I-Gehalt des Chefarztes auf den TV-Ärzte/VKA überzuleiten, und zwar in die Entgeltgruppe IV.

Nicht nur Oberärzte und Assistenzärzte sind mit der Frage konfrontiert, auf welchen der neuen Tarifverträge die Rechtsverhältnisse überzuleiten sind. Auch für den Chefarzt, dessen Festgehalt regelmäßig in Anlehnung an die Vergütungsgruppe BAT I vertraglich vereinbart wurde, stellen sich derartige Probleme. Verschärft wird die Diskussion durch ein Rundschreiben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), in dem eine Rechtsauffassung vertreten wird, die mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unvereinbar ist.
Regelmäßig wird die Festvergütung eines Chefarztes in Anlehnung an eine Beamtenbesoldungsgruppe, an eine Vergütungsgruppe nach AVR (im kirchlichen Bereich) und vor allem in Anlehnung an eine BAT-Vergütungsgruppe vereinbart, in der Regel nach BAT I. So lautet die typische Vergütungsregelung in Chefarztverträgen: „Der Arzt erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe I BAT der Anlage 1a zum BAT (VKA, Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände), das heißt Grundvergütung nach § 27 BAT, Ortszuschlag nach Maßgabe des § 29 BAT sowie Zulagen, eine Zuwendung und ein Urlaubsgeld entsprechend den tariflichen Regelungen zum BAT in der jeweils gültigen Fassung.“ In den meisten Fällen enthält der Vertrag noch eine Bezugnahmeklausel: „Wird der BAT oder der maßgebende Vergütungstarifvertrag im Bereich der VKA durch einen anderen Tarifvertrag ersetzt, so tritt an die Stelle der vereinbarten BAT-Vergütungsgruppe die entsprechende Vergütungsgruppe des neuen Tarifvertrags unter Berücksichtigung etwaiger Überleitungsbestimmungen.“
Inzwischen haben die meisten Krankenhausträger eingeräumt, dass eine Überleitung der Chefarztgehälter auf einen neuen Tarifvertrag erforderlich ist, weil der Vergütungstarifvertrag zum BAT nicht fortentwickelt wird. Tatsächlich ergibt sich eine solche Notwendigkeit bereits aus der Dynamisierungsklausel, wonach die Dienstvergütung „in der jeweils gültigen Fassung“ gewährt wird. Allerdings vertreten die meisten Träger die Auffassung, die Vergütung des Chefarztes sei auf die neue Entgeltgruppe des TVöD (Tarifvertrag öffentlicher Dienst) überzuleiten. Sie berufen sich hierbei auf ein Rundschreiben der DKG vom 20. Februar 2007. Darin vertritt die DKG die Auffassung, dem Chefarzt stehe nur eine Überleitung auf eine Entgeltgruppe des TVöD zu, weil nach der üblichen vertraglichen Ersetzungsklausel eine Überleitung nur auf ein Tarifwerk vereinbart sei, das sämtliche Berufsgruppen eines Krankenhauses erfasse. Da weder der TVöD noch der TV-Ärzte/VKA den BAT insgesamt ersetzten, liege eine Vertragslücke vor, die im Weg der ergänzenden Vertragsauslegung auszufüllen sei. Der Sinn der in den Chefarztverträgen vereinbarten Ersetzungsklausel sei nur gewesen, eine Dynamisierung der Gehaltsvereinbarung zu erreichen, nicht dagegen eine Erhöhung der Vergütung, wie dies bei einer Umstellung auf den TV-Ärzte/VKA der Fall sei. Dem hypothetischen Willen der Vertragspartner entspräche nur die Überleitung auf die Regelungen des TVöD.
Zunächst muss der DKG entgegengehalten werden, dass sie nicht zwischen der Dynamisierungsklausel und der Bezugnahmeklausel (Ersetzungsklausel) differenziert. Die typische Vergütungsregelung in Chefarztverträgen enthält jedoch beide Klauseln. Die Dynamisierungsklausel bestimmt, dass der Chefarzt eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe BAT I „in der jeweils gültigen Fassung“ erhält. Mit dieser Klausel (auch Jeweiligkeitsklausel genannt) wird eine Dynamisierung der Gehaltsbezüge des Chefarztes entsprechend den jeweiligen Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien vereinbart und geregelt. Demgegenüber bestimmt die Bezugnahmeklausel (auch Ersetzungsklausel genannt), dass bei einer Ersetzung des BAT durch einen anderen Tarifvertrag an die Stelle der vereinbarten BAT-Vergütungsgruppe die entsprechende Vergütungsgruppe des neuen Tarifvertrags treten soll. Mit dieser Klausel wird also sowohl aufgrund des Wortlauts als auch nach Sinn und Zweck eine Ersetzung vereinbart, die sich nicht nur auf eine Gehaltsdynamisierung beschränkt, sondern auch Regelungen übernimmt, die sich aus einer Neuordnung der Vergütungssystematik ergeben. Führt diese Neuordnung zu einer Abweichung in der Vergütungshöhe, so gilt dies auch für die Chefarztvergütung.
Sowohl im TVöD als auch im TV-Ärzte/VKA wurde ein neuartiges Vergütungssystem vereinbart. Während sich die bisherige Dienstvergütung im Rahmen der BAT-Regelung im Wesentlichen am Lebensalter orientierte, knüpfen die neuen Tarifverträge vor allem an die Zeit der beruflichen Tätigkeit beim Arbeitgeber beziehungsweise an die Berufserfahrungen an. Der BAT wurde zunächst durch den TVöD ersetzt. Seit dem 1. August 2006 wird der TVöD für Ärzte jedoch durch den TV-Ärzte/ VKA ersetzt, sodass auch die Chefarztgehälter mit Wirkung ab 1. August 2006 auf die neue Entgeltregelung nach dem Ärztetarifvertrag übergeleitet werden müssten.
Der Einwand der DKG verkennt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), wonach regelmäßig der speziellere Tarifvertrag Anwendung findet, wenn eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel zwei Tarifverträge umfasst. So hat das BAG am 14. Dezember 2005 festgestellt, dass die Vertragsparteien mit ihrer Verweisung im Weg der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel demjenigen Tarifvertrag den Vorrang einräumen wollen, der dem Betrieb räumlich, betrieblich, vertraglich und persönlich am nächsten steht (Az.: 10 AZR 297/05). Dies ist in diesem Fall der Ärztetarifvertrag.
Aber auch der Verweis der DKG auf die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung und der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens gelangt zu keinem anderen Ergebnis. Denn danach ist darauf abzustellen, was die Vertragsparteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Dabei ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu berücksichtigen, also nicht der Zeitpunkt, zu dem die Vertragslücke festgestellt wurde.
Der typische Chefarztvertrag nimmt regelmäßig Bezug auf Rechtsnormen und Regelungsbereiche, die den ärztlichen Bereich betreffen, so zum Beispiel auf die Ärztliche Gebührenordnung, auf das Vertragsarztrecht, auf Regelungen zur finanziellen Beteiligung nachgeordneter Ärzte. Es ist kaum anzunehmen, dass in einem Chefarztvertrag die Gehaltsregelung in Anlehnung an einen nicht ärztlichen Tarifvertrag vereinbart worden wäre, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits verschiedene Tarifverträge für verschiedene Berufsgruppen im Krankenhaus gegolten hätten. Bereits aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung hätte kein Träger das Ansinnen an einen Chefarztbewerber herangetragen, einen künftigen nicht ärztlichen Tarifvertrag zugrunde zu legen.
Sowohl nach der Rechtsprechung des BAG als auch nach den Grundsätzen zur Auslegung von Verträgen sind in Krankenhäusern, in denen bisher der BAT Anwendung fand und in denen künftig für Ärzte der TV-Ärzte/VKA gilt, die Chefarztgehälter auf die Entgeltgruppen des TV-Ärzte/ VKA überzuleiten. Wurde mit dem Chefarzt eine Vergütung nach BAT I vereinbart, so hat er seit dem 1. August 2006 einen Rechtsanspruch auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA.
RA Dr. Ulrich Baur
E-Mail: info@ra-baur.de

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