ArchivDeutsches Ärzteblatt28-29/2007Kassenärztliche Bundesvereinigung: KBV-Vorstand Weigeldt tritt zurück

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Kassenärztliche Bundesvereinigung: KBV-Vorstand Weigeldt tritt zurück

Maus, Josef

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Foto: Jürgen Gebhardt Rücktritt: Ulrich Weigeldt zog die Konsequenzen aus dem Misstrauensvotum der Delegierten. Weigeldt legte sein Amt nieder.
Foto: Jürgen Gebhardt Rücktritt: Ulrich Weigeldt zog die Konsequenzen aus dem Misstrauensvotum der Delegierten. Weigeldt legte sein Amt nieder.
Nachdem 47 von 60 Delegierten der KBV-Vertreterversammlung dem hausärztlichen Vorstandsmitglied das Vertrauen entzogen haben, legte Ulrich Weigeldt sein Amt nieder. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung stellt damit die Weichen im Verhältnis zum Hausärzteverband neu.

Ulrich Weigeldt ist am Freitag, dem 6. Juli, von seinem Amt als Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zurückgetreten. Am Tag zuvor hatte die Vertreterversammlung (VV) der KBV dem 57-jährigen Allgemeinarzt aus Bremen das Vertrauen entzogen. Gegen Weigeldt, der im Vorstand für den hausärztlichen Versorgungsbereich zuständig war, hatten 47 von insgesamt 60 Delegierten gestimmt. Nur elf Delegierte votierten für ihn, zwei enthielten sich der Stimme. Mit seinem Rücktritt kam Weigeldt einer Abwahl zuvor, für die eine Zweidrittelmehrheit der Vertreterversammlung (40 Delegierte) notwendig gewesen wäre.
Erst kurz vor der nicht öffentlichen Sitzung der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung am 6. und 7. Juli in Berlin war bekannt geworden, dass 18 Delegierte einen Misstrauensantrag gegen den KBV-Vorstand eingebracht hatten (dazu DÄ, Heft 26, Aktuell „KBV-Vorstand in der Krise“). Der Antrag richtete sich formal sowohl gegen Weigeldt als auch gegen Dr. med. Andreas Köhler, den Vorstandsvorsitzenden der KBV. Allerdings kristallisierte sich schnell heraus, dass es eigentlich nur um Weigeldt gehen sollte.
Der Antrag kam überraschend, wenngleich seit längerer Zeit Gerüchte um ein völlig zerüttetes Arbeitsverhältnis zwischen Köhler und Weigeldt die Runde machten. Auf Anfrage des Deutschen Ärzteblattes hatte der Vorsitzende der KBV-VV, Dr. med. Andreas Hellmann, erklärt: „Die Vertreterversammlung versteht sich als Aufsichtsrat. Und wir sehen, dass es im Vorstand nicht mehr rund läuft.“
Öffentliche Anzeichen dafür gab es bei der Vertreterversammlung im Vorfeld des 110. Deutschen Ärztetages in Münster im Mai dieses Jahres. Köhler hatte damals erwähnt, den Redebeitrag seines Vorstandskollegen nicht zu kennen. Zugleich hatte er unverhohlen beklagt, dass die verbandspolitischen Positionen des Deutschen Hausärzteverbandes zu starken Einfluss auf die Arbeit der KBV nähmen. Köhlers Ausführungen wiesen auf die unterschiedlichen Vorstellungen der beiden Vorstände zur Rolle und Vorgehensweise der KBV und des gesamten KV-Systems hin.
In Münster ist wohl einem Großteil der Delegierten klar geworden, dass die beiden Vorstände politisch nicht mehr auf einer Linie lagen und sich dies negativ sowohl auf die Arbeit als auch auf die Außendarstellung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung auswirken würde. Dass die Verantwortung dafür hauptsächlich Ulrich Weigeldt angelastet wurde, dürfte das Abstimmungsergebnis über die Vertrauensfrage belegen: Während 47 Delegierte Weigelt das Vertrauen entzogen, votierten 51 Delegierte für Köhler, der den fachärztlichen Versorgungsbereich vertritt. Die 47 Nein-Stimmen für Weigeldt hätten allein durch fachärztliche Delegierte nicht zustande kommen können. Die Vertreterversammlung setzt sich aus je 25 Haus- und Fachärzten sowie sechs ärztlichen und vier Psychologischen Psychotherapeuten zusammen. Damit haben auch zahlreiche Hausärzte gegen Weigeldt gestimmt.
Gretchenfrage zum KV-System
Pikant erscheint dieser Umstand nur auf den ersten Blick. Das persönliche Verhältnis von Köhler und Weigeldt mag zwar eine Rolle gespielt haben, entscheidend dürfte hingegen die „Systemfrage“ gewesen sein. Der Gesetzgeber hatte mit dem GKV-Modernisierungsgesetz aus dem Jahr 2004 bestimmt, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder im Sinne einer Professionalisierung von hauptamtlichen Vorständen geführt werden sollten. Dabei sollten der hausärztliche und fachärztliche Versorgungsbereich von je einem Vorstandsmitglied vertreten werden.
Im Januar 2005 wählte die neue KBV-Vertreterversammlung Köhler (für die Fachärzte) und Weigeldt (für die Hausärzte) in den Vorstand. Schon damals erzielte Ulrich Weigeldt lediglich 25 Ja-Stimmen gegenüber 21 Nein-Stimmen. Köhler erhielt demgegenüber 54 Ja-Stimmen. Bevor Ulrich Weigeldt in den KBV-Vorstand gewählt wurde, war er lange Zeit Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes gewesen, der eine zunehmend aggressivere Politik gegenüber dem KV-System betrieb. 1
Noch unter Weigeldts Vorsitz hatte der Verband den bis heute in KV-Kreisen umstrittenen Barmer-Vertrag geschlossen, der den Wettbewerb um das Vertragsgeschäft zwischen KVen und Hausärzteverband bundesweit in den Fokus brachte. Zugleich fuhr der Hausärzteverband einen immer schärfer werdenden Separationskurs gegenüber den ärztlichen Körperschaften. Die Forderungen reichen von einem eigenen Verhandlungsmandat für die Hausärzte in den KVen bis hin zu einer separaten Hausarzt-KV. Demgegenüber stehen die Verfechter einer geschlossenen Interessenvertretung aller Kassenärzte unter dem gemeinsamen Dach der KBV und der KVen – allen voran Dr. med. Andreas Köhler.
Grundkonflikt von Anfang an
Dieser Konflikt schwelte von Anfang an und spitzte sich jüngst in der Diskussion um die anstehende kassenärztliche Honorarreform zu. Der Beratende Fachausschuss der Hausärzte innerhalb der KBV erarbeitete ein eigenständiges Honorarkonzept, das in seinen Grundzügen zwar allgemein akzeptiert ist, in seinen finanziellen Dimensionen die KBV jedoch in eine schwierige Verhandlungsposition gegenüber den Krankenkassen bringt. Die Forderungen der Hausärzte laufen auf eine Honorarerhöhung von rund neun Milliarden Euro hinaus – eine Summe, die realistischerweise kaum durchsetzbar sein dürfte. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung muss die Honorarreform, mit der auch die lange geforderte Ablösung der Budgetierung verbunden ist, in einem sehr engen Zeitplan bewältigen. Dabei stehen äußerst schwierige Verhandlungen mit den Krankenkassen an, und die Politik beobachtet die Selbstverwaltung dabei mit Argwohn. In dieser Situation muss die KBV geschlossen auftreten. Köhler und Weigeldt, so vermuteten die Delegierten, würden die dafür notwendige gemeinsame Linie nicht mehr finden.
Unumstritten: Für Andreas Köhler votierten 51 von 60 Delegierten. Köhler wird weiterhin als Vorstandsvorsitzender die Geschicke der KBV steuern. Foto: Georg J. Lopata
Unumstritten: Für Andreas Köhler votierten 51 von 60 Delegierten. Köhler wird weiterhin als Vorstandsvorsitzender die Geschicke der KBV steuern. Foto: Georg J. Lopata
Vor diesem Hintergrund dürfte auch die Aussage des VV-Vorsitzenden nach dem Misstrauensantrag gegen Ulrich Weigeldt zu verstehen sein. Dr. med. Andreas Hellmann sprach von einem „Reinigungsprozess des KV-Systems“. Er bezog sich damit nicht allein auf den Rücktritt Weigeldts, sondern vor allem auf die vorangegangene Diskussion der Delegierten über die Zukunft der KVen. Die KBV-Vertreterversammlung, berichteten Teilnehmer an der Sitzung, sei enger zusammengerückt. So meinte Dr. med. Achim Hoffmann-Goldmayer, Vorsitzender der KV Baden-Württemberg: „Dieses reinigende Gewitter war unumgänglich, wenn wir als KV-System handlungs- und politikfähig bleiben wollen.“ Nach seiner Ansicht sind nun „die Weichen neu gestellt, eine Politik für alle niedergelassenen Ärzte integriert unter dem Dach der KVen fortzusetzen“.
Andreas Köhler kommentierte den Ausgang der Vertreterversammlung zurückhaltend: „Ich freue mich über das eindeutige Votum der Vertreterversammlung, das ich als klaren Vertrauensbeweis für die Arbeit der KBV betrachte. Ich habe immer wieder betont, dass ich Politik für die niedergelassenen Hausärzte, Fachärzte und Psychotherapeuten mache und nicht in berufspolitischen Lagern denke. Diesen Kurs werde ich gemeinsam mit meinem noch zu wählenden hausärztlichen Kollegen weiter verfolgen.“
Rasche Neuwahl
Bereits am 11. Juli (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) soll die Wahl des neuen hausärztlichen Vorstandes stattfinden. Auf die Frage, ob schon ein Kandidat benannt worden sei, antwortete VV-Vorsitzender Andreas Hellmann mit Nein. Auch nicht hinter den Kulissen? Hellmann: „Da war ich nicht.“
Als sicher kann indes gelten, dass Weigeldts Nachfolger ohne Wenn und Aber hinter dem KV-System stehen wird. Eine Vermischung der Positionen wird die Vertreterversammlung nicht mehr akzeptieren. Vieles deutet dabei auf den rheinland-pfälzischen KV-Vorsitzenden, Dr. med. Carl-Heinz Müller, als Nachfolgekandidat hin (Kasten). Josef Maus

Foto: KV- RLP Carl-Heinz Müller
Foto: KV- RLP Carl-Heinz Müller
Aussichtsreicher Kandidat für den KBV-Vorstand

Eine offizielle Bestätigung gibt’s nicht, aber Dr. med. Carl-Heinz Müller wird als aussichtsreicher Kandidat für die hausärztliche Vorstandsposition der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gehandelt. Müller ist derzeit Vorstandsvorsitzender der KV Rheinland-Pfalz und gilt als erfahrener Berufspolitiker mit großer integrativer Kraft. Der 51-jährige Allgemeinarzt aus Trier war maßgeblich an der Fusion von vier Kassenärztlichen Vereinigungen zur neuen KV Rheinland-Pfalz beteiligt. Carl-Heinz Müller war bereits bei der letzten Vorstandswahl, Anfang 2005, für ein Vorstandsamt bei der KBV im Gespräch, hatte dann aber nicht kandidiert. Er gilt als klarer Verfechter des KV-Systems und setzt sich nachhaltig für eine geschlossene Interessenvertretung aller Kassenärzte unter dem gemeinsamen Dach der KVen ein. Das Deutsche Ärzteblatt wird in seiner Onlineausgabe (www.aerzteblatt.de) am Mittwoch, dem 11. Juli, über den Ausgang der KBV-Vorstandswahlen berichten.

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