

Foto: Eberhard Hahne „Ort“ (1881), Opus VI, Blatt 1 (Singer 113), Radierung und Aquatinta. 25,7 × 34, 7 cm,
Druck der 4. Auflage 1898
Auf der 1876 in Berlin-Hasenheide eröffneten Rollschuhbahn traf sich die feine Gesellschaft zum modischen Zeitvertreib. Dort begegnete der Künstler 1878 der schönen brasilianischen Diplomatentochter, von deren Namen nur der Anfangsbuchstabe „T“ überliefert ist. Er entbrannte in stürmischer Liebe zu ihr, war aber als junger Künstler nicht in der Lage, ihr ein ihren Ansprüchen entsprechendes Leben zu bieten. So mussten Heiratsabsichten aufgegeben werden – aber noch 1917 besuchte diese Dame, inzwischen Witwe eines reichen Fabrikanten, Max Klinger in Deutschland.
Die realistische Darstellung ermöglicht einige erste Deutungen. So fällt auf, dass alle Personen sich auf Rollschuhen befinden. Dies kann als Metapher für Unsicherheit, einen unsicheren Stand, „fehlende Bodenhaftung“ und gleichzeitig auch als Notwendigkeit verstanden werden, schwierige Situationen beherrschen zu lernen. So präsentieren sich die erwachsenen Mitglieder der Gesellschaft. Ein Kind, das die Fähigkeiten und Konventionen noch nicht beherrscht, landet unsanft auf dem Popo. Nur ein älterer Herr mit seinem Stock als drittem Bein hat keine Rollschuhe untergeschnallt – er kann und will nicht mehr mithalten. Doch die eigentlichen Protagonisten sind andere: Die zweite Figur von links, halb verdeckt, ist Max Klinger selbst. Seine Angebetete, als einzige sitzende Person, ist die Dame ganz in Weiß. Hartmut Kraft
Biografie
Max Klinger
Geboren 1857 in Leipzig als Sohn eines Seifenfabrikanten. 1874 Beginn des Kunststudiums in Karlsruhe, 1875 Wechsel nach Berlin an die Königliche Akademie der Künste, wo er 1878 seine Zeichenserie „Ein Handschuh“ erstmalig ausstellte. 1879 Veröffentlichung der ersten Grafikmappe, der 1881 als Opus VI „Ein Handschuh“ folgte.
In den folgenden Jahren arbeitete Klinger in Paris, Berlin und Rom. 1891 erste Retrospektive in München. 1897 Ernennung zum Professor in Leipzig.
1920 starb Klinger in Großjena, eine der Grabreden hielt Käthe Kollwitz.
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