BRIEFE
Praxisabgaben: Mehr als zynisch


Mit etwas Glück können die Ausbildungskosten durch die Einnahmen während der Arbeit in der Ambulanz wieder „hereingeholt“ werden. Eventuelle Ersparnisse sind jedoch längst aufgebraucht, Altersvorsorge und Rücklagen Fremdworte.
Nach der Ausbildung muss nun eine weitere Hürde überwunden werden, wenn auch noch die Kassenzulassung den ausscheidenden Kollegen meistbietend abgekauft werden muss. Da Patienten nicht einfach übernommen werden können (Psychotherapie basiert nach wie vor auf einem Vertrauensverhältnis), erwirbt man zumeist nur einen Kassenstempel. Die Zahlung von weiteren 50 000 Euro als angemessen zu betrachten, mit dem Verweis, dass Geld momentan „günstig zu leihen ist“ und eine Praxis ihren Inhaber bis 68 gut versorgt, ist mehr als zynisch.
„Neid, Anspruchsdenken, Gerechtigkeitsfanatismus, Versorgungswünsche und Narzissmus“ werden dem Käufer der Kassenzulassung von Herrn Krause unterstellt.
Sind es „Gerechtigkeitsfanatismus“ und „Narzissmus“, wenn der frisch approbierte Therapeut nicht bereit ist, sich immer weiter zu verschulden? Sind die monierten „Versorgungswünsche“ so abwegig, wenn er, meist jenseits der 30, endlich von seiner Arbeit leben und vielleicht – wie vermessen – eine Familie ernähren möchte?
Ist es überzogenes „Anspruchsdenken“, wenn er nicht bereit ist, für das
Privileg, anderen Menschen helfen zu dürfen, unbegrenzt draufzuzahlen? Ist ein wenig „Neid“ nicht menschlich, wenn die Kollegen, die ihre Zulassung noch meist umsonst erhalten haben, dem bereits gebeutelten Nachwuchs nach Gutdünken noch einmal in die Tasche greifen? „Klärende Selbsterfahrung“ tut not – die Frage, warum man sich das alles freiwillig antut, ist nämlich nicht leicht zu beantworten.
Angesichts von Nachwuchsmangel, horrenden Wartelisten für Patienten und der Tatsache, dass vor allem männliche Diplom-Psychologen kaum noch bereit sind, die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten anzutreten, frage ich mich, ob statt des Verhältnisses der Psychotherapeuten zum Geld nicht vielmehr das Verhältnis zu den Therapeuten gestört ist, wenn so mancher annimmt, diese Berufsgruppe könne von Luft und Liebe beziehungsweise Idealismus und einem feuchten Händedruck leben.
Interessierten empfehle ich die Lektüre des Artikels „Selbstaufgabe inklusive“ von Anne-Ev Ustorf in der aktuellen Ausgabe (Juli 2007) von „Psychologie heute“.
Katja Grabowski, Hattinger Straße 381, 44795 Bochum
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