POLITIK
53. Konsultativtagung deutschsprachiger Ärzteorganisationen: Qualitätssicherung ist keine Inquisition


Als großen Anhänger
von Qualitätsmanagement
bezeichnet sich Max
Giger vom Zentralvorstand
der Verbindung
der Schweizer
Ärztinnen und Ärzte.
Das Konzept ist umstritten. Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement (QM) gelten bei vielen Ärztinnen und Ärzten als Geldschneiderei, als weitere überflüssige Bürokratie oder gar als Instrument der Gängelung und Kontrolle. Doch QM kann auch Fehlanreizen entgegenwirken, die der stärker werdende Wettbewerb im Gesundheitswesen setzt. Es kann Qualität dokumentieren und als weiteren Wettbewerbsparameter etablieren. Wichtig für die Ärzteschaft ist es insbesondere, eigene Qualitätskriterien und Zertifizierungsverfahren zu entwickeln und nicht dem Gesetzgeber allein das Heft des Handelns zu überlassen. Das war zumindest der Tenor der 53. Konsultativtagung deutschsprachiger Ärzteorganisationen vom 5. bis 7. Juli in Berlin. Die Ärztevertreter aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg und Südtirol hatten die Qualitätssicherung als eines ihrer Schwerpunktthemen gewählt.
„Die Gesetzgebung zum Qualitätsmanagement ist sehr weit fortgeschritten“, schilderte Dr. med. Regina Klakow-Franck, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Bundesärztekammer (BÄK), die Situation in Deutschland. Ein internes Qualitätsmanagement sei in Krankenhäusern seit 2001, in Arztpraxen seit 2004 verpflichtend. Seit diesem Jahr sei die Zertifizierung von Reha-Einrichtungen gesetzlich vorgeschrieben. Bereits vor zehn Jahren haben die Selbstverwaltungspartner in Deutschland damit begonnen, ein eigenes Zertifizierungssystem zu entwickeln. Die „Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus“ (KTQ) will praxisnah zur Beurteilung von Qualität und Sicherheit in Krankenhäusern und inzwischen auch in Arztpraxen beitragen. Gesellschafter der KTQ sind die Bundesärztekammer, die Spitzenverbände der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Deutsche Pflegerat und der Hartmannbund. „KTQ ist im Gegensatz zu den ISO-Normen spezifisch für das Gesundheitswesen entwickelt worden“, betonte Klakow-Franck. „Es hat aber Vorbilder in der Industrie.“ Bislang hätten 590 Krankenhäuser ein KTQ- Zertifikat erhalten, das entspreche in etwa einem Viertel der Kliniken: „Das ist ein großer Erfolg.“
„Die Gesetzgebung
zum Qualitätsmanagement
ist sehr weit
fortgeschritten“, sagte
Regina Klakow-Franck, stellvertretende
Hauptgeschäftsführerin
der
Bundesärztekammer.
Fotos: Jürgen Gebhardt
Weniger erfolgreich läuft derzeit noch die Zertifizierung im ambulanten Bereich. Erst 18 Praxen haben nach Angaben von Klakow-Franck ein KTQ-Zertifikat erworben. Die Skepsis der niedergelassenen Ärzte erklärt eine Umfrage der Stiftung Gesundheit unter 152 Praxen. Danach, so die BÄK-Dezernentin, hielten 47 Prozent der Ärzte QM für Geldschneiderei, 41 Prozent fürchteten sich vor Bürokratie. Schon jetzt beklagten die Leistungserbringer die Überregulierung. Das verderbe den Ärztinnen und Ärzten die Lust, sich zusätzlich auch noch mit Qualitätsmanagement zu beschäftigen. „Wir hoffen, mit KTQ ein eleganteres System entwickelt zu haben“, sagte Klakow-Franck. „Denn QM kann, richtig gemacht, einen internen Nutzen stiften.“ Daran, dass die Ärzte sich mit QM auseinandersetzen müssen, führt ihrer Ansicht nach kein Weg vorbei. Das belegen aktuelle Regelungen: Für die Hausärzte wird es künftig Leistungszuschläge geben, die an Qualitätsindikatoren gekoppelt sind, und ab 2007/2008 müssen alle Krankenhäuser zu bestimmten Indikatoren ihre Ergebnisse angeben.
Seit der 5. Ärztegesetz-Novelle im Jahr 2004 gehört die Qualitätssicherung auch in Österreich zur Berufspflicht der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. „Dahinter stand der politische Wunsch nach Regulierung der Qualitätssicherung in den Arztpraxen“, sagte Dr. med. Otto Pjeta, Präsidialreferent der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). „Qualitätssicherung meinte dabei sicher nicht Qualitätsverbesserung, sondern Kontrolle“, so Pjeta. Der Kammer sei es jedoch gelungen, den staatlichen Einfluss zurückzudrängen. Nach dem Willen des Gesetzgebers müssen die Ärzte regelmäßig eine Evaluierung der Qualität in ihren Praxen durchführen und die Ergebnisse der ÖÄK übermitteln. Für die Ausarbeitung der entsprechenden Qualitätskriterien, für die Evaluierung, die Qualitätskontrolle und das Führen eines Qualitätsregisters ist die Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin (ÖQMed) verantwortlich. Die ÖQMed ist eine 100prozentige Tochter der ÖÄK. Die Mitglieder ihres wissenschaftlichen Beirats werden allerdings jeweils zur Hälfte von der Kammer und dem Gesundheitsministerium ernannt. „Jeder niedergelassene Arzt muss bis Dezember 2008 einmal zertifiziert worden sein“, erläuterte Pjeta. Für die ÖQMed gibt es deshalb viel zu tun: 15 000 Arztpraxen muss die Gesellschaft innerhalb von zwei Jahren zertifizieren. „Es gibt ein einfaches Motiv für unser Engagement in dieser Sache“, sagte der Präsidialreferent. „Wir wollen nicht als Inquisitoren auftreten. Wir wollen die Ärztinnen und Ärzte unterstützen und motivieren.“ Das Konzept werde zu Qualitätsverbesserungen in der Versorgung führen.
Für eine bessere Qualität der ärztlichen Weiterbildung und letztlich für mehr Patientensicherheit soll ein Visitationsprogramm sorgen, dass die Schweizer Ärzteschaft aufgelegt hat. Es umfasst 1 200 Weiterbildungsstätten. „Wir zertifizieren aber nicht ganze Häuser, sondern nur einzelne Abteilungen“, erklärte Dr. med. Max Giger, Mitglied des Zentralvorstandes der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte. „Ich bin selbst ein großer Anhänger von QM. Unser Ziel ist ein besseres Produkt“, so Giger. Das Qualitätssicherungsprogramm umfasst eine Überprüfung des Weiterbildungskonzepts, eine Assistentenumfrage und eine Visitation. Dabei führt ein Team, das aus einem Fachexperten, einem fachfremden Experten und einem Assistentenvertreter besteht, Interviews mit dem Leiter der Abteilung sowie mit Ober- und Assistenzärzten. Nach einem Klinikrundgang und einer Besprechung im Team werden der Abteilung die wichtigsten Beobachtungen mitgeteilt. „Das Ganze dauert in der Regel vier bis fünf Stunden“, sagte Giger. „Die Interviews sind streng vertraulich.“ Mit Blick auf die Patientensicherheit prüfen die Visitatoren insbesondere, ob die Assistenzärzte gemäß ihren Fähigkeiten eingesetzt werden und wie man in den Abteilungen mit Fehlern umgeht. „Unser Eindruck aus 160 Supervisionen ist, neben vielen positiven Ergebnissen, dass es um die Feedback-Kultur oft sehr schlecht bestellt ist“, sagte Giger. Die Assistenzärzte wagten es oft nicht, Probleme anzusprechen. Zudem gebe es, außer bei den Anästhesisten, kaum ein systematisches Fehlermanagement. Die Folge: „Die Assistenten werden mit Fehlern nicht fertig, sie entwickeln Ängste, werden entschlussunfähig. Oder die steigen ganz aus der kurativen Versorgung aus“, warnte Giger. Ein Projekt „Wie gehen Ärzte mit Fehlern um“ soll hier Hilfestellungen für die Ärzte erarbeiten.
Ob der Weg der Schweizer, die Qualität ärztlicher Weiterbildung zu verbessern, auch auf deutsche Verhältnisse übertragbar ist, will die Bundesärztekammer prüfen. „Qualitätsmanagement ist nicht nur Kontroll-, sondern auch Ratgeberinstanz“, betonte der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe. „Diese Wahrnehmung müssen wir ausbauen und fördern.“ Heike Korzilius