TECHNIK
Magnetresonanztomografie: Bürokratie-Opfer


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Die als schonend geltende Magnetresonanztomografie (MRT), die sich in den letzten 25 Jahren bewährt hat, ist möglicherweise in ihrer jetzigen Form bald nicht mehr einsetzbar. Grund ist die EU-Richtlinie 2004/40/EG, die es medizinischem Personal unmöglich machen könnte, bei einer MRT-Anwendung anwesend zu sein. Kinder, Notfallpatienten und sedierte Patienten wären von dieser Regelung besonders betroffen und könnten in vielen Fällen nicht mehr untersucht werden.
Die Richtlinie wurde 2004 von der EU erlassen und sollte ursprünglich bis 2008 in nationales Recht umgesetzt sein. Das finale Umsetzungsdatum ist nun auf Ende 2010 verschoben worden. Zentrales Thema der Richtlinie ist der Schutz vor elektromagnetischen Feldern. Ursprünglich bezog sie sich auf den Schutz von Arbeitnehmern in der Nähe von Hochspannungseinrichtungen und Mobilfunkmasten. Bedacht wurde dabei allerdings nicht, dass die Richtlinie ebenso die Arbeitsbedingungen der Radiologen reglementiert. Gesetzlich verordnete Einschränkungen würden Radiologen zum vermehrten Röntgen zwingen, so Prof. Dr. Maximilian Reiser, Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft, in einer Presseerklärung. Das hieße, „ein extrem unwahrscheinliches, hypothetisches gegen ein bekanntes Risiko einzutauschen“. Ähnlicher Auffassung ist Prof. Dr. med. Gabriel Krestin von der Erasmus-Universität in Rotterdam: „Können wir MRT nicht mehr nutzen, müssen wir auf andere Scanning-Methoden ausweichen. Die basieren jedoch auf Röntgenstrahlen.“
Doch nicht nur Diagnostik und Therapie sind betroffen: Die Richtlinie betrifft auch Forschung und Industrie. Würde sie umgesetzt, könnte es zur Abwanderung von Industrie und Forschung ins nichteuropäische Ausland kommen. Zurzeit ist Europa noch führend in der MRT-Forschung.
Vor diesem Hintergrund wird diskutiert, die Arbeitsschutzrichtlinie zu modifizieren oder die Grenzwerte zu korrigieren. Allgemein ist umstritten, ob Magnetfelder sich überhaupt schädlich auswirken. Kritiker geben zu bedenken, dass die meisten Studien zu diesem Thema von der Industrie in Auftrag gegeben worden sind. Sicher ist, dass Magnetfelder für Menschen mit Herzschrittmachern und anderen Metallimplantaten ein Risiko darstellen können. Die Strahlenschutzbehörde empfiehlt zwar, bei Magnetfeldern Vorsicht walten zu lassen, plädiert aber bei medizinischen Anwendungen für eine Sonderregelung. Der Nutzen der Technologie ist unumstritten: Die MRT hat zentrale Bedeutung für Diagnose und Behandlung von Hirntumoren und Krankheiten wie multipler Sklerose.
Auch in Brüssel schlägt der Konflikt Wellen: Im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments kam es zu einer intensiven Debatte. Abgeordnete verschiedener Fraktionen forderten eine Änderung der Richtlinie. Die zuständige Abteilung der EU-Kommission sagte zu, den Antrag zu prüfen und gegebenenfalls eine Modifikation der Verordnung vorzuschlagen. Da neue Studien zu den Auswirkungen elektromagnetischer Strahlungen in Auftrag gegeben worden sind, ist mit einer endgültigen Stellungnahme der Kommission erst in einigen Monaten zu rechnen. Dr. med. Peter Liese (CDU) vom Europäischen Parlament zeigt sich gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt zuversichtlich: Er glaubt, dass es zu einer Änderung der Richtlinie kommen werde. Kritik übt er sowohl an den Abgeordneten als auch an den betroffenen Ärzten. Der Fall solle als mahnendes Beispiel gelten, sich künftig umfangreicher zu informieren, so Liese.
Nora Lessing