ArchivDeutsches Ärzteblatt31-32/2007Augenheilkunde im Nationalsozialismus
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Medizingeschichte: Mustergültig bearbeitet

Die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde ist mit gutem Beispiel vorangegangen. Sie war die erste medizinische Fachgesellschaft, die sich ihrer Vergangenheit im Dritten Reich stellte. Im Fall der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft ging die Initiative zu einem solchen Geschichtsprojekt von einem Professor für Augenheilkunde aus. Das verdient Anerkennung, zumal sich das Ergebnis in Buchform durchaus sehen lassen kann. Wie das Literaturverzeichnis belegt, ist der Autor mit der neuesten Forschungsliteratur vertraut. Er hat zudem eine beeindruckende Fülle von Archivalien herangezogen und dazu noch Augenzeugen befragt. Die Befunde überraschen nicht. Auch unter den Augenärzten war der Anteil der NSDAP-Mitglieder recht hoch, wenngleich etwas niedriger als bei anderen Facharztgruppen. Dass man nicht unbedingt ein Parteibuch haben musste, um als Augenarzt eine Hochschulkarriere machen zu können, belegt dieses Buch. Im Vergleich zu anderen medizinischen Fächern weist, wie der Autor schlüssig zeigt, die Ophthalmologie eine geringere Systemnähe auf.
Besonderes Augenmerk richtet Rohrbach auf diejenigen Augenärzte, die wegen ihrer jüdischen Abstammung verfolgt und ermordet wurden. In 60 Prozent der Fälle war es nicht möglich, das Schicksal der Betroffenen zu klären. Leider kennt Rohrbach nicht die einschlägigen biografischen Hilfsmittel der Exilforschung, wie zum Beispiel J. Walks Kurzbiografie zur Geschichte der Juden 1918–1945. Sonst hätte er gewusst, dass Wilhelm Feilchenfeld in die USA emigrierte und dort 1954 verstarb und dass Carl Hamburger (1870–1944) in die Schweiz auswanderte.
Doch solche Lücken schmälern nicht das Verdienst des Autors, ein weiteres wichtiges Kapitel der Medizingeschichte des Dritten Reichs mustergültig bearbeitet zu haben.
Robert Jütte

Jens Martin Rohrbach: Augenheilkunde im Nationalsozialismus.
Schattauer, Stuttgart, New York, 2007,
217 Seiten, gebunden, 69 Euro

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