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Nebenwirkungen der DRG-Einführung: Augen zu und durch


Jens Flintrop
Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik
Die Umstellung des Abrechnungssystems hat in vielen Krankenhäusern überfällige Umstrukturierungen ausgelöst. Da jeder „Fall“ ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch Kosten verursacht, wurden sämtliche Abläufe in den Kliniken hinterfragt und gegebenenfalls optimiert. Im Ergebnis werden heute viele medizinische Leistungen kostengünstiger erbracht als noch vor wenigen Jahren. Das so eingesparte Geld kann an anderer Stelle im System sinnvoller eingesetzt werden.
Doch die Abrechnung nach Fallpauschalen setzt auch Anreize für Verhaltensweisen, die nicht im Sinne einer guten Versorgung sind. So kommt es vor, dass Patienten aus ökonomischen Gründen zu früh aus dem Krankenhaus entlassen werden („blutige Entlassungen“). Der Genesungsprozess muss dann teilweise außerhalb des Krankenhauses stattfinden, was vor allem für allein lebende Menschen eine Belastung ist. Auch werden Leistungen in den vor- und nachstationären Bereich verlagert. Verstärkt hat sich zudem der Trend zur Fragmentierung von Behandlungen. Um mehr Fälle abrechnen zu können, werden aus einem längeren Krankenhausaufenthalt mehrere kurze gemacht („Drehtür-Effekt“).
Ob diese Nebenwirkungen der DRG-Einführung nur vereinzelt auftreten oder gehäuft, das weiß zurzeit niemand. Zwar hat der Gesetzgeber in § 17 b Abs. 8 Krankenhausfinanzierungsgesetz festgelegt, dass die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung bis Ende 2005 eine Begleitforschung zu den Auswirkungen des neuen Vergütungssystems vorlegen müssen, ein entsprechender Forschungsauftrag wurde bis heute aber nicht vergeben. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion „Die Linke“ hervor.
Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass der Bundesregierung bislang keine „belastbaren Hinweise“ auf Verschlechterungen der Versorgungsqualität oder eine Zunahme von medizinisch nicht indizierten und verfrühten Entlassungen vorliegen. Kurzfristig von den Krankenkassen erbetene Stellungnahmen hätten zudem zu der Rückmeldung geführt, dass diesen „keine Erkenntnisse über eine Verschlechterung des Zustands von aus dem stationären Akutbereich kommenden Patienten innerhalb der letzten Jahre vorlägen, die über den Bereich der Einzelfallberichte hinausgingen“. „Aussagefähige Daten“ über Mehrbelastungen in der ambulanten Versorgung durch frühzeitige Krankenhausentlassungen liegen der Bundesregierung ebenfalls nicht vor; „objektive Anhaltspunkte“ für Drehtür-Effekte gebe es auch nicht. Wie auch?
Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Verantwortlichen im Bundesgesundheitsministerium nicht an einer Begleitforschung zu den Nebenwirkungen der DRG-Einführung interessiert sind. § 17 b Abs. 8 ist wohl nur ins Gesetzblatt gerutscht, um den meist ärztlichen Bedenkenträgern Wind aus den Segeln zu nehmen.
Jens Flintrop
Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik
Weigand, Andreas
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