ArchivDeutsches Ärzteblatt PP9/2007Elektronische Gesundheitskarte: Ministerium drückt aufs Tempo

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Elektronische Gesundheitskarte: Ministerium drückt aufs Tempo

Rabbata, Samir

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LNSLNS Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Akzeptanz für die elektronische Gesundheitskarte steigen wird, wenn sie erst einmal im Einsatz ist. Deshalb soll bereits im Frühjahr 2008 mit der flächendeckenden Einführung begonnen werden.

Vielleicht liegt es an den wenig anschaulichen Fachbegriffen, dass Laien die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) oftmals skeptisch betrachten. Wenn Experten von „Dispensierdaten“ oder „Frameworks“ sprechen, kann der normale PC-Nutzer nur schwer folgen. Da nutzt es wenig, dass die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik) auf ihrer Internetseite ein Glossar der Fachbegriffe eingerichtet hat.
Dass sich viele Unklarheiten beseitigen ließen, wenn die Karte erst im Einsatz ist, glaubt der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Dr. Klaus Theo Schröder. Er kündigte an, das Tempo zu beschleunigen. Die Tests mit 10 000 Patienten seien bislang erfolgreich verlaufen. Da die Technik weitgehend funktioniere, seien zumindest für die Kartenlesegeräte keine 100 000er- Tests nötig. Mit der flächendeckenden Ausgabe der rund 80 Millionen Karten könne bereits im zweiten Quartal 2008 begonnen werden. Auf der Karte sollen zunächst Adresse und Notfalldaten des Versicherten gespeichert werden, und sie soll für den elektronischen Verkehr von Rezepten genutzt werden.
Ministerium mit Arbeit der Selbstverwaltung zufrieden
„Wenn die Karte erst einmal im Feld ist, wird sich das Blatt auch kommunikativ wieder wenden“, sagte Schröder mit Blick auf Proteste von Teilen der Ärzteschaft gegen das Projekt. So hatte der Deutsche Ärztetag in Münster noch im Mai dieses Jahres erhebliche Bedenken gegen die Art und Weise der Karteneinführung geäußert.
Für die ablehnende Haltung der Ärzte machte Schröder die „zunächst unprofessionelle Arbeitsweise“ der Selbstverwaltungspartner verantwortlich. Mittlerweile habe sich diese geändert. Leistungserbringer und Krankenkassen hätten erkannt, dass die Zusammenarbeit innerhalb der für die Einführung der Karte zuständigen gematik professionalisiert werden müsse.
Einführung zunächst ohne Netzanbindung
So hat die gematik als Zertifizierungsinstanz für die Komponenten der eGK bislang elf Kartenhersteller und zwei Anbieter des Heilberufsausweises zugelassen. Für die Produktion von Kartenlesegeräten und Konnektoren gab die Projektgesellschaft jeweils drei Anbietern grünes Licht. Mit den bis zum nächsten Frühjahr zugelassenen Komponenten werde die flächendeckende Einführung der Karte zunächst offline erfolgen, also ohne Netzanbindung zu anderen Ärzten, gab Schröder bekannt.
Der Vorsitzende des Ausschusses „Telematik“ der Bundesärztekammer, Dr. med. Franz-Joseph Bartmann, bezeichnete den Zeitplan für den Start der Karte unter Offlinebedingungen als realistisch. Für Patienten und Ärzte sei es wichtig, dass die alte und die neue Technik nebeneinander funktionierten und der Übergang zur eGK fließend erfolge. Diese Einschätzung werde vom Ministerium geteilt. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) betonte, dass sich bei den Praxisabläufen für den Arzt zunächst nichts ändere. Auch werde sich die Einführung der Karte voraussichtlich über das gesamte Jahr 2008 erstrecken.
Dennoch kritisierte die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) die Beschleunigung des Projekts. „Aus politischen Gründen soll offensichtlich die Einführung der Gesundheitskarte ohne Rücksicht auf Verluste durchgeboxt werden“, sagte der Vorsitzende des MB, Dr. med. Frank Ulrich Montgomery. Empört über die vorzeitige Kartenausgabe äußerte sich auch der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. med. Kuno Winn: „Es grenzt an eine Farce, wenn der Staatssekretär vermeldet, dass bis zum zweiten Quartal 2008 jede Praxis mit einem entsprechenden Lesegerät ausgestattet sein soll.“ Bis jetzt sei nicht einmal die Finanzierung geregelt.
Doch dies soll sich bald ändern. Von September an verhandeln Krankenkassen und Leistungserbringer über die Kostenverteilung. Nach den bisherigen Plänen sollen die Ärzte eine geringe Pauschale für jede Nutzung der Gesundheitskarte erhalten. Über die Höhe der Pauschale werden beide Seiten wohl erbittert streiten – ebenso darüber, wie viel Geld die Kassen den Ärzten für die Beschaffung der nötigen Soft- und Hardware zuschießen.
Wettbewerb senkt die Kosten
Staatssekretär Schröder ist dennoch optimistisch, dass sich die Verhandlungspartner einigen. Auch deshalb, „weil die Ausgaben für die verschiedenen Komponenten aufgrund des Wettbewerbsdrucks der Anbieter aller Voraussicht nach geringer ausfallen werden, als zunächst erwartet“. So werde der Preis für die Karte selbst rund einen Euro betragen. Das sei ein Viertel der zunächst veranschlagten Kosten. Die Gesamtausgaben für das Projekt werden sich nach Angaben Schröders auf 1,4 bis 1,6 Milliarden Euro belaufen. Weil das Geld erst nach und nach bezahlt werden muss, seien die Ausgaben jedoch nicht relevant für die Beitragssätze der Kassen.
Samir Rabbata

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