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Überschüsse der Krankenkassen: Dann hast du in der Not


Ausschlaggebend dafür, dass die Krankenkassen derzeit schwarze Zahlen schreiben, sind vor allem drei Dinge: Die Beschäftigung nimmt zu (plus 513 000 beitragszahlende Personen), die Grundlöhne steigen (plus 0,6 Prozent beitragspflichtige Einnahmen), und viele Krankenkassen haben ihre Beitragssätze angehoben (durchschnittlich um 0,6 Prozentpunkte zum 1. Januar 2007). Alle diese Entwicklungen kann das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nicht direkt beeinflussen; sie sind somit keine unmittelbaren Auswirkungen der Gesundheitsreform.
Die Krankenkassen sollen mit den Überschüssen vor allem ihre Schulden abbauen: „Bereits Ende 2006 hatten 185 von 242 Kassen wieder positive Finanzreserven, spätestens im nächsten Jahr werden alle Kassen schuldenfrei sein“, kündigte Ulla Schmidt (SPD) an. Das wäre dann pünktlich zum Start des Gesundheitsfonds und der damit verbundenen erstmaligen Festlegung des einheitlichen Beitragssatzes für alle Krankenkassen. Um einen reibungslosen Übergang in diese neue Krankenkassenwelt ab 2009 zu gewährleisten, rückt offensichtlich sogar der sonst alles dominierende Grundsatz der Beitragssatzstabilität in den Hintergrund. So verliert die Bundesgesundheitsministerin kein Wort der Kritik darüber, dass der durchschnittliche Beitragssatz der Krankenkassen zum 1. Januar 2007 doch sehr deutlich von 13,3 auf 13,9 Prozent gestiegen ist. Rechnet man den Sonderbeitrag für die Kassenmitglieder in Höhe von 0,9 Prozentpunkten hinzu, so liegt der durchschnittliche GKV-Beitragssatz nun bei 14,8 Prozent. Das ist Rekord.
Und weitere Beitragssatzsteigerungen sind wahrscheinlich – wollen doch die Krankenkassen zum Start des Gesundheitsfonds unbedingt ohne Zusatzbeitrag auskommen. Dafür sollte man nicht nur schuldenfrei sein, sondern besser noch ein Finanzpolster angespart haben. Derzeit sieht es so aus, als ob Ministerin Schmidt die Krankenkassen in dieser Hinsicht gewähren lässt – wohl auch, weil Beitragszahler und Medien die jüngsten Beitragssatzsteigerungen in der GKV ziemlich emotionslos akzeptiert haben.
Die Ärztinnen und Ärzte in Klinik und Praxis werden von den zusätzlichen Einnahmen der Krankenkassen jedenfalls nicht profitieren. Das BMG stellte bereits klar, dass der mit der jüngsten Gesundheitsreform eingeführte „Sanierungsbeitrag“ der Krankenhäuser (rund 280 Millionen Euro im Jahr 2007) nach wie vor angemessen sei. Der Kostendruck auf die Krankenhäuser bleibt also unverändert hoch; finanzielle Zugeständnisse der Klinikarbeitgeber an die Ärzte im Zuge kommender Tarifverhandlungen bleiben unwahrscheinlich. Im niedergelassenen Bereich hat das BMG sogar schon jetzt „eine erhebliche Verbesserung der Honorarsituation der Ärzte“ ausgemacht. Schließlich seien die Ausgaben für die ambulante ärztliche Behandlung im ersten Halbjahr 2007 um drei Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gestiegen, heißt es beim BMG – „der höchste Anstieg, der in diesem Leistungsbereich seit 1994 zu verzeichnen war“. Maßgeblich für diese Entwicklung war der Ausgabenzuwachs in den neuen Ländern um 5,7 Prozent.
Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik