

Nina Hoss, bei der
Berlinale für ihre Rolle
mit dem Silbernen
Bären ausgezeichnet,
spielt Yella ebenso
eindringlich wie
empfindsam.
Foto: Hans Fromm
Die Sehnsucht scheint mir die einzige ehrliche Eigenschaft des Menschen“, schrieb im vorigen Jahrhundert der Philosoph Ernst Bloch. In deutschen Kinos sind ab diesen Monat die herausragend inszenierten Porträts zweier Frauen Anfang 30 zu sehen, die von der verzweifelten Sehnsucht getrieben werden nach einem Leben ohne gesellschaftliche Kompromisse, ohne äußere Zwänge. Eine Utopie?
Yella ist gefangen. Ihr Leben hat sie in der brandenburgischen Provinz verbracht, als Buchhalterin in der Firma ihres jähzornigen Mannes Ben. Yella bricht aus. Sie wagt den Schritt, zieht in den Westen. Mit Philipp lernt sie einen aufmerksamen, zielstrebigen Geschäftsmann kennen, der ihr die aufregende Welt des Private Equity enthüllt, Leben am Puls des modernen Kapitalismus. Und plötzlich sitzt sie in verglasten Büroräumen, fährt in teuren Dienstwagen, führt Verhandlungen. In dieser Welt mit Philipp fühlt sie sich wohl, ihr Mut wurde belohnt, sie ist am Ziel ihrer Sehnsüchte. Doch allmählich bekommt ihre neue Existenz Risse, Geister der Vergangenheit suchen sie auf, und Yella ahnt, dass sich ein schreckliches Geheimnis hinter ihrem neu gefundenen Glück verbirgt.
„Yella“ ist kein gewöhnlicher Film. Präzise inszeniert Regisseur Christian Petzold den Lebenstraum einer jungen Frau, einen Traum, den sie mit vielen ihrer Altersgenossinnen teilt: Erfolg im Beruf, Glück mit einem gleichberechtigten Partner. Nina Hoss, bei der Berlinale für ihre Rolle mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet, spielt Yella ebenso eindringlich wie empfindsam. Mit drei der zurzeit besten Schauspieler Deutschlands und einem pointierten Drehbuch wird aus „Yella“ ein universelles Psychogramm, das Sehnsüchte und Ängste behutsam zusammenfügt.
Foto: NFP
Zu dem Film „Schwesterherz“ hat die Schauspielerin Heike Makatsch erstmals in ihrer Karriere – zusammen mit der Journalistin Johanna Adorjan – ein Drehbuch verfasst und damit gleich eine bemerkenswerte Figur geschaffen, in der sich die Lebensängste einer Frauengeneration kondensieren, die den Spagat zwischen eigener Familie und Erfolg im Beruf schaffen will und dabei aufgerieben wird zwischen gesellschaftlichem Druck und den persönlichen Sehnsüchten. In kunstvoll arrangierten Bildern macht Regisseur Ed Herzog die Einsamkeit von Annas Welt deutlich, in der straffe Haut und Champagner als Platzhalter für ein erfülltes Leben versagen.
Leben ohne gesellschaftliche Kompromisse, ohne äußere Zwänge: eine Utopie? Zumindest auch – und gerade – im 21. Jahrhundert ein Traum, für den man kämpfen muss, für den es sich aber auch zu kämpfen lohnt.
Falk Osterloh