ArchivDeutsches Ärzteblatt38/2007Von schräg unten: Aufklärung

SCHLUSSPUNKT

Von schräg unten: Aufklärung

Böhmeke, Thomas

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Medizinische Eingriffe sind eines, die dazu gehörige juristisch perfekte Aufklärung meist etwas anderes. Trotzdem gilt es, möglichst einfühlsam auf das vorzubereiten, was unausweichlich ist, Unannehmlichkeiten die Spitze zu nehmen, schwer Verständliches transparent zu machen. Angst soll den Menschen genommen werden, Mitgefühl und Hoffnung vermittelt werden, sodass Krankheit und Leiden bewältigt werden können. Nun verlangt aber die Jurisdiktion, dass wir auch auf alle denkbaren unglücklichen Verläufe hinweisen, was wiederum eine gänzlich andere Tonlage erfordert. Es wird somit immer schwieriger, die Balance zwischen medizinischer Notwendigkeit, ärztlicher Anteilnahme und dem juristisch notwendigen Soll zu halten. Vor mir sitzt ein Patient, bei dem ein stationärer Eingriff geplant ist und ich wiederum die Ehre habe, ihn auf den Krankenhausaufenthalt mental einstimmen zu dürfen. Wie man es von mir gewohnt ist, wähle ich zeitgemäße Worte der Empathie, die ihn möglichst realitätsnah auf das hinweisen sollen, was ihm bevorsteht.
Also, wenn er das Krankenhaus betritt, muss er schriftlich sein Einverständnis mit dem § 17 Absatz 2 des KHEntG unterzeichnen, weil, das ist so, dass nach BPflV beziehungsweise dem KHEntG, das sagte ich schon, die Wahlleistungen differenziert werden, und so eine Rechnung nach GOÄ kann auch nach dem Zielleistungsprinzip erstellt werden, nur dass er sich darüber im Klaren ist, nicht wahr? Und dann muss er, bevor er überhaupt einen Zipfel weißen Kittels gesehen hat, auch den § 823 I BGB gegenzeichnen, genau: Das ist derjenige Paragraf, der sich damit beschäftigt, wenn jemand vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dann ist er also verpflichtet, den durch die Verletzung entstandenen Schaden zu ersetzen, nicht wahr? Also, falls er beispielsweise irgendwelche wertvollen Gegenstände, aus welchen Gründen auch immer, in das Krankenhaus mitnimmt und diese beispielsweise im Schwesternzimmer statt im krankenhauseigenen Safe deponiert, diese aber entwendet werden, dann ist nach gegenwärtiger Rechtsprechung ein Anspruch auf Schadensersatz nicht gegeben. So. Alles klar? Alles verstanden? Prima. Nun kommen wir zum eigentlichen medizinischen Eingriff. Halt. Ehe ich mich nun über die juristischen Feinheiten der Beweislastumkehr im Fall ärztlicher Entscheidungsprozesse und deren Dokumentationen auslasse, möchte ich noch ein Wort darüber verlieren, dass es sich im Fall der vor einer Operation notwendigen Blutentnahmen um den Grundtatbestand der Körperverletzung handelt, der gemäß den §§ 223 und 224 im Strafgesetzbuch geregelt ist und . . .
„Jetzt langt’s aber, Herr Doktor Böhmeke, ich wollte mich eigentlich einem medizinischen und keinem juristischen Eingriff unterziehen. Das klingt so, als würden Sie 90 Prozent Ihrer Arbeit ausschließlich darauf verwenden, sich gegen den Staatsanwalt abzusichern. Wo bleibt da eigentlich der Patient?“
Wie, nur 90 Prozent?! Hier geblieben! Dann bin ich ja noch lange nicht fertig!

Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.

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