ArchivDeutsches Ärzteblatt39/2007Verstösse gegen das ärztliche Werberecht: Die Abmahnungswelle rollt

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Verstösse gegen das ärztliche Werberecht: Die Abmahnungswelle rollt

Schinnenburg, Wieland

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Immer öfter erhalten niedergelassene Ärzte Post von Rechtsanwälten, die wegen eines angeblichen Verstoßes gegen werberechtliche Vorschriften die Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangen.

Ärztinnen und Ärzte dürfen für ihre Leistungen werben: Sie dürfen Anzeigen schalten, Praxisbroschüren erstellen und im Internet auftreten. Diese Werbeauftritte werden jedoch von Mitbewerbern immer häufiger sehr genau auf Rechtsverstöße untersucht. Die Folge sind nicht selten teure Abmahnungen. Mit solchen Abmahnungen wird die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangt. Der betroffene Arzt soll versprechen, dass er ein bestimmtes Verhalten, zum Beispiel eine bestimmte Formulierung in seinem Internetauftritt, künftig nicht mehr verwendet.
Diese Abmahnungen sollte man keineswegs unbeachtet in den Papierkorb werfen. Nach Ablauf der in der Abmahnung gesetzten Frist droht nämlich der Erlass einer einstweiligen Verfügung durch das zuständige Gericht. Dadurch entstehen Kosten. Umgekehrt sollte man auch nicht ohne Weiteres klein beigeben und die geforderte Unterlassungserklärung ungeprüft unterschreiben. Diese enthält nämlich regelmäßig die Verpflichtung des Unterzeichners, die Kosten des eingeschalteten Rechtsanwalts zu tragen. Diese betragen meist mindestens 1 000 Euro. Ein Arzt, der eine solche Abmahnung erhält, sollte deshalb unverzüglich die Rechtslage genau und umfassend prüfen.
Zunächst geht es darum, ob überhaupt ein Verstoß gegen ärztliche Werbebeschränkungen vorliegt.
Die Rechtsprechung, das heißt das Bundesverfassungsgericht, hat in den letzten Jahren das ärztliche Werberecht deutlich liberalisiert. Verboten ist nicht jede ärztliche Werbung, sondern nur die berufswidrige. Regelmäßig formuliert es das Bundesverfassungsgericht so: „Für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen, muss im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben“ (Az.: 1 BvR 191/ 05). Dabei hat das Gericht die Grenze dessen, was es noch als sachlich ansieht, sehr weit gezogen.
Angebliche Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz
Deshalb werden die Abmahnungen meist mit angeblichen Verstößen gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) begründet. Typische Vorwürfe sind die Abbildung des Arztes in Berufskleidung (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 HWG), die Verwendung von Vorher-Nachher-Fotos (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 HWG) oder die Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 10 Abs. 1 HWG). Nicht selten sind diese Vorwürfe unberechtigt.
Zunächst lohnt es sich, die einschlägige Vorschrift genau zu lesen. So ist zum Beispiel die Abbildung des Arztes in Berufskleidung nur dann verboten, wenn damit „für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel . . . geworben“ wird. Regelmäßig wirbt der Arzt jedoch für sich beziehungsweise seine Praxis. Auch das Verbot der Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel wird von den Gerichten manchmal anders ausgelegt, als die Abmahner es tun. So hat das Bundesverfassungsgericht am 30. April 2004 entschieden, dass die Erwähnung des Präparatenamens „Botox“, immerhin ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel mit erheblichen Nebenwirkungen, unvermeidlich und deshalb erlaubt sei, wenn ein Arzt zulässigerweise darauf hinweist, dass er solche Behandlungen anbietet (Az.: 1 BvR 2334/03). Das Bundesverfassungsgericht ist so zu verstehen, dass es in künftigen Entscheidungen das HWG einschränkend auslegen wird, das heißt, es kann dazu kommen, dass selbst Verstöße gegen den Wortlaut des HWG vom Bundesverfassungsgericht erlaubt werden.
Konkretes Wettbewerbsverhältnis entscheidend
Weiter sollte untersucht werden, ob derjenige, für den der Rechtsanwalt die Abgabe der Unterlassungserklärung fordert, überhaupt einen Anspruch darauf hat. Dazu muss er nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zu dem angeschriebenen Arzt stehen. Daran kann man natürlich bei einem Arzt aus München zweifeln, der gegen einen Arzt in Hamburg vorgeht. Jedoch neigt die Rechtsprechung dazu, auch bei größeren räumlichen Entfernungen noch ein konkretes Wettbewerbsverhältnis anzunehmen.
Da es in der Vergangenheit geradezu eine Inflation von Abmahnungen gegeben hat, hat der Gesetzgeber in § 8 Abs. 4 UWG einen Missbrauchstatbestand vorgesehen. Danach ist die Geltendmachung des Anspruchs unzulässig, wenn sie „unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich“ ist. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn die Abmahnung vorwiegend dazu dient, einen Anspruch auf Kostenerstattung entstehen zu lassen. Ein solcher Nachweis ist natürlich meist schwer zu führen. Die Rechtsprechung fragt danach, ob bei dem Anspruchsteller neben der Gebührenerzielung ein nennenswertes wirtschaftliches Interesse bestehen kann.
Ärgerliche Post – die Abmahnung eines Mitbewerbers setzt den Arzt unter sofortigen Handlungszwang. Foto: Vario Images
Ärgerliche Post – die Abmahnung eines Mitbewerbers setzt den Arzt unter sofortigen Handlungszwang. Foto: Vario Images
Außerdem sollte man auch die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten prüfen, vor allem, ob der angesetzte Gegenstandswert nicht zu hoch ist. Regelmäßig darf dieser 25 000 Euro nicht überschreiten.
Je nachdem, wie die juristische Prüfung in den genannten Schritten ausgegangen ist, ist unterschiedlich zu verfahren:
- Wurde der Anspruch eindeutig zu Unrecht erhoben, sollte man die geforderte Unterlassungserklärung nicht unterschreiben. Vielmehr sollte man dem Anspruchsteller mitteilen, warum der Anspruch zurückgewiesen wird. In vielen Fällen wird dieser dann das Gericht einschalten und eine einstweilige Verfügung beantragen. Dadurch entsteht eine Unterlassungsverfügung, an die sich der betroffene Arzt zunächst halten muss. Um diesem Erfolg vorzubeugen, kann man beim zuständigen Gericht eine sogenannte Schutzschrift hinterlegen, die dem erwarteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entgegentritt. Das Gericht kennt dann schon die Argumente, die gegen den von der Gegenseite gestellten Antrag sprechen.
- Stellt man hingegen bei der juristischen Prüfung fest, dass der Anspruch zu Recht geltend gemacht wird, sollte man das angegriffene Verhalten, zum Beispiel eine bestimmte Formulierung auf der Homepage, sofort beenden, die Unterlassungserklärung unterschreiben und innerhalb der gesetzten Frist zurücksenden sowie die geltend gemachten Kosten tragen.
- Wenn die juristische Prüfung kein eindeutiges Ergebnis hat, man sich also nicht sicher ist, ob der Anspruch zu Recht erhoben wurde, sollte man wie folgt vorgehen: Man beendet das angegriffene Verhalten, entfernt also zum Beispiel eine bestimmte Formulierung von der Homepage, und unterschreibt die Unterlassungserklärung. Jedoch streicht man den Abschnitt, in dem die Verpflichtung zur Übernahme der Kosten des beauftragten Rechtsanwalts abgegeben wird. Stattdessen wird die Unterlassungserklärung um den Zusatz „Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber rechtsverbindlich“ versehen. Durch ein solches Vorgehen ist der eigentliche Anspruch, nämlich das Unterlassungsbegehren, erledigt. Es geht nur noch um die Pflicht, die Kosten des eingeschalteten Rechtsanwalts zu übernehmen. Nicht selten werden diese dann auch vor Gericht geltend gemacht. Der Streitwert dieses Gerichtsverfahrens ist aber viel geringer als die oben genannten 25 000 Euro. Damit sind aber auch die Kosten geringer, als wenn um die Unterlassungserklärung gestritten wird.
Sowohl die beschriebene juristische Prüfung als auch die erwähnte Schutzschrift sind für Nichtjuristen sehr problematisch. Deshalb sollte man bei Eingang einer Abmahnung unverzüglich den Rat eines spezialisierten Rechtsanwalts einholen. Es bietet sich im Übrigen an, einen solchen Experten einzuschalten, bevor eine Abmahnung eingeht. Anders gesagt: Man sollte seine Praxisbroschüre und den Internetauftritt vor Veröffentlichung von einem Fachmann auf mögliche Rechtsverstöße prüfen lassen.
Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg Fachanwalt für Medizinrecht, Hamburg

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