

Foto: Dagobert Kohlmeyer
Gleichzeitig ist der Tod aber der große Gleichmacher, der alle unterschiedslos, ähnlich wie Schachfiguren, in die Kiste wirft. Der mittelalterliche Prediger am Straßburger Dom, Johann Geiler von Kaisersberg, der gegen die Spielleidenschaft wetterte, aber gleichzeitig wie manch anderer seine Botschaften mit Schachmetaphern würzte, verglich das Figurenkästchen gerne mit dem Beinhaus, in dem die Knochen der Toten durcheinandergewürfelt lägen, ohne dass jemand erkennen könne, ob sie früher einem Bauern oder König gehörten. „Der Tod sagt allen Menschen Schach und wirft sie den Würmern zum Fraße vor“, mahnte Heinrich von Neustadt. Und im „Lübecker Totentanz“ klagt der König:
„Steckt denn des Todes Faust auch Königen ihr Ziel?
So gleicht das Regiment dem Schach- und Königsspiel.
Mein Scepter streckte sich vom Süden bis zum Norden,
Nun bin ich durch den Tod besetzt und Schachmatt worden.“
Doch zumindest beim Schach erstehen die Figuren aus dem Kasten immer wieder zu neuem Spiel, manch einer hofft darauf auch beim eigenen Leben. Gelegentlich aber, im Leben wie im Schachspiel, webt der Spieler, absichtlich oder nicht, sein eigenes Mattnetz, ein „Selbstmatt“.
In der Spitzenpaarung der 6. Runde vom letzten Ärzteturnier zwischen Dr. med. Enrico Marchio und Dr. med. Matthias Birke stand Dr. Marchio als Weißer mit seinen zwei Mehrbauern auf Gewinn. Doch mit zwei durchaus plausiblen Zügen „gelang“ es ihm, ein Selbstmatt zu basteln, das heißt, nach zwei Zügen war sein weißer König plötzlich mitten auf dem Brett matt. Quasi ein „Kunstmatt“. Übrigens ist dies die theoretisch einzige Möglichkeit, um die Mattschlinge um den weißen König in nur zwei Zügen zuziehen zu lassen. Da trifft der Schüttelreim von Dr. med. Helmut Schröder zu: „Auch verlorene Partien können dir noch Lust machen, vielleicht ist die Stellung kurios und du musst lachen.“ Also, Weiß zieht und wird im 2. Zug matt gesetzt – wie geht’s?
Lösung:
Mit dem Auftaktschach 1. De5+! wurde die Dame zentralisiert, was im Damenendspiel oft ratsam ist, hier aber dummerweise dem eigenen König das Fluchtfeld e5 nimmt. Nach 1. . . .Kh7 deckte Weiß seinen angegriffenen Bauern f2 mit der Vorwärtsverteidigung 2. f3??, was die weiße Bauernkette zur harmonischen „Badewannenformation“ (e4-f3-g3-h4) komplettierte, allerdings seinem König auch noch das Fluchtfeld f3 raubte (nahezu jeder andere Zug hätte immer noch gewonnen), sodass dieser nach 2. . . .Dc1+! plötzlich mitten auf dem Brett matt war. „Eine schöne Leich“, sagt man in Bayern.
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