POLITIK
Pflegereform: Mehr Kompetenzen für Pflegekräfte
DÄ plus


Der Arztvorbehalt
bröckelt: Pflegekräfte
sollen in Modellprojekten
unter
anderem häusliche
Krankenpflege verordnen
können.
Foto: Superbild
Pflegeurlaub, Pflege-TÜV und mehr Leistungen für Demenzkranke: Über diese Themen ist im Zuge der geplanten Pflegereform viel diskutiert worden. Weniger bekannt ist, dass die anstehenden Gesetzesänderungen direkten Einfluss auf die Arbeit von Ärztinnen und Ärzten haben werden. Pflegeheime sollen künftig eigene Ärzte einstellen können. Die Rolle der Pflegekräfte wird gestärkt: In Modellprojekten sollen sie unter anderem Hilfsmittel verordnen dürfen und bestimmte ärztliche Leistungen erbringen.
Diese Pläne der Bundesregierung stoßen auf Kritik. Der Einführung des Heimarztes begegnen besonders Ärzteverbände mit Skepsis. Die oft jahrelange und vertrauensvolle Arzt- Patienten-Beziehung werde beim Übergang ins Pflegeheim gekappt, moniert der Deutsche Hausärzteverband. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) setzt auf Kooperationen von niedergelassenen Ärzten und Pflegeheimen. KBV-Vorstand Dr. med. Carl-Heinz Müller fordert zudem, die Arbeit von Ärzten in der geriatrischen Versorgung müsse aufgewertet werden: „Budgetierungen und Regressdruck sind wichtige Ursachen dafür, dass sich Ärzte mitunter scheuen, hier im notwendigen Maß tätig zu werden.“
Der Entwurf für ein Pflege-Weiterentwicklungsgesetz sieht darüber hinaus vor, dass Pflegekräfte mehr Kompetenzen erhalten. Im Rahmen von Modellprojekten sollen sie Verbandsmaterial, Pflegehilfsmittel sowie häusliche Krankenpflege verordnen können und außerdem bestimmte ärztliche Tätigkeiten ausüben. Welche Aufgaben das sind, lässt der Gesetzentwurf allerdings offen. Das Bundesgesundheitsministerium äußerte sich dazu auf Anfrage nicht. Fest steht aber: Pflegekräfte werden als eigenständige Leistungserbringer tätig.
Die Bundesärztekammer (BÄK) lehnt in einer Stellungnahme die Schaffung einer neuen nicht ärztlichen Versorgungsebene ab. Bezüglich der Verordnung von Verbandsmaterial und Pflegehilfsmitteln sowie der inhaltlichen Ausgestaltung von häuslicher Krankenpflege müsse eine Folgenabschätzung im Hinblick auf Budgetverantwortung und haftungsrechtliche Konsequenzen erfolgen. Die Festlegung der Dauer von häuslicher Krankenpflege ist aus Sicht der BÄK eine ärztliche Aufgabe, denn diese sei an die Indikationsstellung gebunden. „Anamnese, Diagnose und Therapie sind und bleiben die zentralen Säulen ärztlicher Tätigkeit“, stellt auch Dr. med. Kuno Winn, Vorsitzender des Hartmannbundes, klar.
Während die Pflegekräfte mit der Reform neue Rechte erhalten, kommen für die Ärzte weitere Pflichten hinzu. Mit der Pflegereform soll das Sozialgesetzbuch dahingehend verändert werden, dass Ärzte die Krankenkassen informieren müssen, wenn sie einen Patienten behandeln, der seine Krankheit „selbst verschuldet“ hat. Beispiele dafür sind Komplikationen nach Piercings oder Schönheits-OPs. BÄK-Präsident Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe bezeichnete das Vorhaben als einen „Generalangriff auf die ärztliche Schweigepflicht und das verfassungsrechtlich geschützte Patientengeheimnis“.
Dr. med. Birgit Hibbeler
Der GESETZENTWURF
Geplante Änderungen im SGB V mit direkten Auswirkungen für Ärztinnen und Ärzte:
- Heimärzte: Heime sollen eigene Ärzte einstellen dürfen, wenn sonst die Versorgung der Bewohner nicht gewährleistet ist (§ 119 b).
- Übernahme ärztlicher Leistungen: Im Rahmen von Modellprojekten dürfen Pflegekräfte Verbandsmaterial, Hilfsmittel und häusliche Krankenpflege verschreiben sowie bestimmte ärztliche Tätigkeiten ausüben (§ 63).
- Versorgungsmanagement: Laut Gesetzentwurf sollen insbesondere Pflegekräfte die Versorgung koordinieren (§ 11).
- Mitteilung „selbst verschuldeter“ Krankheiten: Ärzte müssen die Kassen informieren, wenn sie etwa Patienten mit Komplikationen nach Schönheits-OPs behandeln (§ 294 a).
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