POLITIK
Brustkrebsfrüherkennung: Hohe Sensibilität blinder Frauen


Zwei frisch gebackene „MTU“ haben ihre erste Stelle in rheinischen Frauenarztpraxen angetreten. Sie werden die Gynäkologen als blinde „Medizinische Tastuntersucherin“ (MTU) bei der Früherkennung von Brustkrebs unterstützen. Ende Oktober legten sie ihre Abschlussprüfung vor der Ärztekammer Nordrhein ab, die im Rahmen des Forschungsprojekts „Discovering Hands“ ein Zertifikat für das neue Qualifizierungsprofil entwickelt hat.
„Blinde trainieren in Ermangelung ihres Gesichtssinns das verbleibende Sensorium intensiver“, war die Überlegung des Projektgründers, Dr. med. Frank Hoffmann. Der Duisburger Frauenarzt hatte die Idee, die besondere Sensibilität blinder Frauen fachlich auszubilden, „um die Früherkennung des Brustkrebses als eine der vorrangigen Aufgaben der gynäkologischen Vorsorgepraxis zu optimieren“. Im Verbund von Ärztekammer, Berufsförderungswerk für Blinde in Düren, Landschaftsverband Rheinland und der Universitätsfrauenklinik Essen, die das Projekt wissenschaftlich begleitet, wurde ein Curriculum für die neue Helferinnentätigkeit erprobt.
Geprüft: Die beiden ersten Absolventinnen
der MTU-Qualifikation.
Fotos: Leonie von Manteuffel
Auf die theoretische Prüfung folgt ein vierteljähriges Praktikum in Kliniken und Praxen. „Die MTU ertastet detailliert, was von der Homogenität des normalen Gewebes abweicht“, berichtete Dr. med. Friedhelm Fester aus der Zusammenarbeit mit einer angehenden MTU im Praktikum. Sie liefere eine „genaue Topografie“ der Brust. Die Gynäkologen der Praxis zeigten sich „beeindruckt, wie gewissenhaft und sicher sie die Untersuchungen durchführt“. Aufgrund der „erstaunlichen Sensibilität, mit der die Brust durchuntersucht wird“ – so spürte die Praktikantin eine 2-Millimeter-Verdichtung in anderthalb Zentimetern Tiefe auf –, bestehe eher die Tendenz zu falschpositivem Verdachtsbefund, der dann zeitnah abzuklären sei. Was die blinden Helferinnen im Einzelnen leisten können, wird im Rahmen einer Dissertation an der Universitätsfrauenklinik Essen evaluiert: Im Oktober ging „Discovering Hands“ mit fünf neuen Umschülerinnen in die zweite Runde.
Neben dem „Kompetenzzuwachs im Tasten“ haben die beteiligten Ärzte die „starke interaktive Komponente“ der etwa 30-minütigen Untersuchung gewürdigt: „Die Patientinnen empfinden die Untersuchung als sehr angenehm und beruhigend. Von Frau zu Frau vermittelt hier jemand auf gleicher Augenhöhe persönlich: ,Ich habe alles genau abgefühlt‘“, hätten erste Patientenbefragungen ergeben. Die persönliche Zuwendung, erlebte Sorgfalt und Vertrauenswürdigkeit stärke die Patientenorientierung. Der Aufwand dafür ist eher bescheiden: ein Raum mit einer Liege und ein Computer mit Brailleschrift. Die Arbeitsplätze werden, wie das gesamte Projekt, vom Integrationsamt beim Landschaftsverband Rheinland gefördert.
Leonie von Manteuffel
Weitere Informationen: www.disco vering-hands.de, Kontakt: frank.hoff mann@discovering-hands.de
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