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Etwa jede dritte Ehe wird geschieden. Die Gründe für das Scheitern einer Beziehung sind vielschichtig und können statistisch nicht ermittelt werden. Dennoch dürfte die Scheidungsrate der Ärzteschaft über dem statistischen Durchschnitt liegen. Bereitschaftsdienste, Überstunden, hohe Verantwortung unter dem Einfluss der immer schlechter werdenden „Drehbücher“ der Gesundheitspolitik bilden die Grundlage für extreme Arbeitsbedingungen. Die außergewöhnlichen Belastungen des Arztberufes zwingen häufig dazu, persönliche und familiäre Belange warten zu lassen.
Kommt es zu einer Trennung oder Ehescheidung, empfinden die Beteiligten dieses als eine Art persönlichen „Lebenskonkurs“. Die Entscheidung der Eheleute, fortan getrennte Wege zu gehen, führt zu einer Auseinandersetzung des gemeinsam erwirtschafteten Vermögens. Unterhaltszahlungen und weitere gegenseitige Ansprüche sind zu prüfen. Haben die Eheleute keine vertraglichen Vereinbarungen getroffen, finden die gesetzlichen Vorschriften Anwendung. Dies kann für die Ärztin/den Arzt zu überraschenden und problematischen Ergebnissen führen.
Der eheliche Güterstand – Rechtslage ohne Ehevertrag
Haben die Eheleute keine vertragliche Regelung getroffen, leben sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der Begriff ist verwirrend, denn „Gemeinschaft“ bedeutet nicht, dass die während der Ehezeit erworbenen Gegenstände automatisch gemeinschaftliches Vermögen werden. Auch für Schulden, die nur ein Ehepartner eingeht, haftet der andere Ehegatte nicht kraft Eheschließung mit. Zugewinngemeinschaft bedeutet, dass bei Beendigung des Güterstandes (zum Beispiel durch Ehescheidung) der während der Ehe erwirtschaftete Zugewinn gemäß den gesetzlichen Vorschriften auszugleichen ist. Zu diesem Zweck werden das Anfangsvermögen (= Vermögen zum Zeitpunkt der Eheschließung) sowie das Endvermögen (= Vermögen am Stichtag, das heißt förmliche Zustellung des Ehescheidungsantrags an den Antragsgegner) eines jeden Ehegatten ermittelt und einander gegenübergestellt. Derjenige Ehegatte, der den höheren Zugewinn erwirtschaftet hat, ist dem anderen Ehegatten in Höhe der Hälfte der überschießenden Differenz ausgleichspflichtig.
Bei einem niedergelassenen Arzt fällt auch der Wert seiner Praxis in die Zugewinnausgleichsbilanz. Besteht zwischen den Eheleuten keine Einigkeit über den Praxiswert, wird ein Gutachter mit der Wertermittlung beauftragt. Eine „richtige“ Bewertungsmethode ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Die Rechtsprechung hat unterschiedliche Methoden akzeptiert (Stichwort: Substanzwertverfahren/Goodwill, Ärztekammermethode, Ertragswertverfahren). Es liegt auf der Hand, dass hohe Ausgleichsforderungen die Existenz der Praxis bedrohen können. Neben der Zugewinnausgleichsforderung fallen erhebliche Kosten für Gutachter sowie Rechtsanwälte und bei streitiger Auseinandersetzung für das Gericht an. Der gesetzliche Güterstand ist für den niedergelassenen Arzt mit eigener Praxis oder in einer Gemeinschaftspraxis nicht zu empfehlen.
Anders stellt sich die Situation des angestellten Krankenhausarztes und des Chefarztes dar. Hier gibt es keine Unternehmensbeteiligungen, die im Zugewinn auszugleichen wären. Die Chefarztambulanz stellt keine veräußer- und bewertbare Praxis dar. Die vom Chefarzt genutzte Ausstattung steht regelmäßig im Eigentum des Krankenhausträgers. Der Chefarzt hat keine Klinikanteile und seine Tätigkeit keinen Fortführungswert. Die Ermächtigung des Chefarztes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung stellt keine Chance für den Nachfolger dar, gesetzlich Versicherte zu behandeln.
Hoffnung auf Änderung
der Rechtsprechung
Am 8. Februar 2006 entschied das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg zum Zugewinn: Das Vermögen eines Tierarztes (konkret: der „Anteil des Antragsgegners an der tierärztlichen Praxis einschließlich Goodwill“) sei kein im Zugewinn auszugleichendes Vermögen, wenn daraus auch Unterhalt zu leisten ist. Das OLG bezieht sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 11. Dezember 2002, in welcher der BGH feststellte, dass die doppelte Teilhabe eines Unterhaltsberechtigten an einer Vermögensposition – nämlich vorab im Zugewinn durch den Vermögenswert der Beteiligung und nochmals im Unterhalt als Einkommen des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigender Gewinnanteil – nicht stattfindet. In Konsequenz dieser Rechtsprechung vertritt das OLG Oldenburg die Auffassung, dass bei Selbstständigen die Unternehmensbewertung entfallen muss, wenn nicht die Parteien die Herausnahme der Einnahmen aus dem Betrieb für die Unterhaltsberechnung vereinbaren. Die Entscheidung des OLG Oldenburg wird kontrovers diskutiert.
Im Rahmen der Privatautonomie können Eheleute von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Vereinbarungen treffen. Dabei kann ein Ehevertrag nicht nur vor Eheschließung vereinbart werden, sondern auch noch während der Ehe.
Wie kann der Arzt sich durch Ehevertrag absichern?
Die Eheleute können vertraglich zum Beispiel den Güterstand der Gütertrennung vereinbaren. Konsequenz: Ein Zugewinnausgleich findet nicht statt. Nicht nur eine Arztpraxis, sondern auch andere Vermögenswerte (beispielsweise Sparguthaben, Immobilien) werden nicht ausgeglichen. Nachteil: Bei der Zugewinngemeinschaft erhöht sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten pauschal um ein Viertel, bei der Gütertrennung nicht. Auch verliert der überlebende Ehegatte den steuerlichen Zugewinnausgleichsfreibetrag nach § 5 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz. Die Vereinbarung einer Gütertrennung ist nicht immer interessengerecht.
Die Vertragsfreiheit erlaubt den Eheleuten auch, es bei dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft zu belassen und diesen zu modifizieren (modifizierte Zugewinngemeinschaft). Sie können vereinbaren, dass der Zugewinnausgleich nur für den Fall der Ehescheidung auszuschließen sei. Für den Fall der Auflösung der Ehe durch Tod eines Ehegatten kann es bei der gesetzlichen Regelung bleiben. In diesem Fall bleibt die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils für den überlebenden Ehegatten erhalten. Auch können der Zugewinnausgleich auf gegenständlich abgegrenzte Vermögensteile beschränkt und bestimmte Vermögenswerte – wie die Arztpraxis oder die Wertsteigerung einer ererbten Immobilie – aus dem Zugewinn ausgeschlossen werden. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind vielseitig. Die Vorteile vertraglicher Vereinbarungen liegen in der Existenzsicherung eines Unternehmens, der Streitvermeidung bei Trennung und Scheidung sowie Kostenersparnis gegenüber einer streitigen Auseinandersetzung.
Das Ende der
„Lebensstandardgarantie“
Zum 1. Juli 2007 sollte die neue Unterhaltsreform in Kraft treten. Die Reform wurde nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 2007, die Teile der Reform betraf, verschoben. Neben anderen Änderungen soll ein Unterhaltsanspruch befristet oder begrenzt werden können – eine „Lebensstandardgarantie“ gibt es nicht mehr. Die Ehefrau mit geringem Einkommen etwa, die einen Chefarzt mit hohem Einkommen heiratet, trifft nach Scheidung der Ehe eine höhere Eigenverantwortung (besonders wenn ehebedingte Nachteile nicht bestehen). Der „Aufstockungsunterhalt“ soll aber nicht (mehr) zu einer lebenslangen „Unterhaltsknechtschaft“ führen, sondern ehebedingte Nachteile ausgleichen und nicht auf unbestimmte Zeit den Lebensstandard des unterhaltsberechtigten Ehegatten garantieren.
Wollen die Eheleute die Unterhaltsproblematik nicht dem Urteil des Familienrichters aussetzen, sondern über eine Unterhaltsbegrenzung der Höhe nach, eine zeitliche Begrenzung oder gar einen Unterhaltsverzicht selbst entscheiden, können vertragliche Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt getroffen werden.
Einseitige Belastung – Grenzen der Vertragsfreiheit
Vorsicht ist geboten bei einem Ehevertrag, der einen Ehepartner unter Ausnutzung einer Notlage einseitig belastet. Die schwangere Krankenschwester, die einen erfolgreichen Arzt heiratet unter der Bedingung, in einem Ehevertrag „auf alles zu verzichten“, ist geschützt. Ein solcher Vertrag wäre unwirksam. Es läge eine strukturelle Unterlegenheit und einseitige Lastenverteilung vor.
Grundlage dieser Sichtweise ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Februar 2001. Bis zu dieser Entscheidung galt ein Ehevertrag als sichere Methode, sich vor unliebsamen Scheidungsfolgen zu schützen. Nunmehr darf die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, den Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig zu unterlaufen. Dies wäre der Fall, wenn eine evident einseitige und nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die unzumutbar erscheint. Das Gericht hat im Rahmen einer „Wirksamkeitskontrolle“ zu prüfen, ob die Vereinbarung schon zum Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung vollständig zu versagen ist. Hat die ehevertragliche Regelung danach Bestand, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht missbraucht („Ausübungskontrolle“).
Es bleibt den Eheleuten nach wie vor freigestellt, Regelungen etwa zum Zugewinn und Unterhalt zu vereinbaren. Der Globalverzicht (auf Unterhalt, Zugewinn, Versorgungsausgleich) kann allerdings problematisch sein.
Eine vertragliche Regelung ist immer dann zu empfehlen, wenn die bestehenden gesetzlichen Regelungen zu nicht gewünschten Ergebnissen führen. Anders ausgedrückt: Bessere Heilungschancen bei rechtzeitiger Prävention.
Corinna Langwara
E-Mail: ra@langwara.de