POLITIK
Universitätskliniken: Die Fachgesellschaften schlagen Alarm


Bundeskanzlerin Dr. rer. nat. Angela Merkel, Bundesforschungsministerin Dr. phil. Annette Schavan und die Ministerpräsidenten der Länder erhielten in der vergangenen Woche Post von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). In einem offenen Brief werden sie aufgefordert, zusätzliche Mittel für die Aus- und Weiterbildung des medizinischen Nachwuchses sowie die Schaffung attraktiver Perspektiven für die akademischen Führungskräfte bereitzustellen. Unter dem Druck der ökonomischen Rahmenbedingungen und der pauschalierten Vergütung von medizinischen Versorgungsleistungen verlagerten sich die Prioritäten an den Universitätskliniken derzeit zugunsten der wirtschaftlich erforderlichen Patientenbetreuung, schreibt die AWMF – „Forschung, Lehre und ärztliche Weiterbildung treten zwangsläufig dahinter zurück“.
Forscher gehen ins Ausland
Nach Überzeugung der Fachgesellschaften hat das neue Hochschulrahmengesetz die Rahmenbedingungen für die Professoren substanziell verschlechtert. So sei die Ablösung der C-Besoldung durch die neue W-Besoldung mit einem niedrigeren Grundgehalt verbunden; darüber hinaus sei die Vergütung von Überstunden und Bereitschaftsdiensten gestrichen worden. Die Annahme eines Rufs auf eine W-2-Professur bedeute etwa für einen habilitierten, klinisch erfahrenen Oberarzt ein um 600 Euro monatlich niedrigeres Grundgehalt. „Was also sollte diesen Kollegen dazu motivieren, seine wissenschaftliche Karriere fortzusetzen und eine Professorenstelle anzutreten, die mit weiteren Aufgaben und einer größeren Verantwortung verbunden ist?“, fragt die AWMF. Alle noch so sinnvollen Programme zur Stärkung der klinischen Forschung an den Universitäten müssten daran scheitern, dass diejenigen, die diese Forschung durchführen sollen, gleichzeitig durch höhere Arbeitsbelastungen, niedrigere Besoldung und unsichere Perspektiven demotiviert würden. Bereits seit einigen Jahren verließen zahlreiche qualifizierte akademische Führungskräfte die Unikliniken, um im Ausland attraktivere Positionen anzunehmen.
Ärztliche Weiterbildung
rechnet sich nicht
Die Unikliniken fühlen sich der ärztlichen Weiterbildung verpflichtet. Es sei jedoch absehbar, dass die mit dieser Aufgabe verbundenen zusätzlichen Belastungen nicht aufrechterhalten werden könnten und sich die Universitätskliniken aus der Weiterbildung zurückziehen müssten, um ihre prioritären Aufgaben in Forschung, Lehre und Patientenversorgung erfüllen zu können, meint die AWMF. Das Problem: Die Weiterbildungskosten wurden in den DRG-Fallpauschalen zwar kalkulatorisch berücksichtigt, ob ein Krankenhaus tatsächlich weiterbildet, ist für die Abrechnung jedoch irrelevant.
„Diese faktische Unterfinanzierung führt dazu, dass zunehmend mehr Krankenhäuser auf die Fortführung der Weiterbildung verzichten und nach fertigen Fachärzten Ausschau halten“, erläutert Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe. Der Bundesärztekammerpräsident forderte Bund und Länder auf, gemeinsam mit der Bundesärztekammer eine über das Fallpauschalensystem hinausgehende Finanzierung von ärztlicher Weiterbildung zu entwickeln und verbindlich vorzusehen.
Jens Flintrop