ArchivDeutsches Ärzteblatt PP11/2007Exzellenzinitiative: Aufbruchstimmung in der Wissenschaft

POLITIK

Exzellenzinitiative: Aufbruchstimmung in der Wissenschaft

Hibbeler, Birgit

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Zukunftskonzepte („Elite-Unis“): Im Süden sind die meisten Gewinner.
Zukunftskonzepte („Elite-Unis“): Im Süden sind die meisten Gewinner.
Die Exzellenzinitiative hat neue Impulse für die Forschung gesetzt. Doch es gibt auch Kritik: Wegen der großen Zahl an bewilligten Projekten werden die Fördersummen gekürzt.

Der Jubel war groß an der Kieler Universität, als die Nachricht kam: Das Netzwerk „Entzündung an Grenzflächen“ ist einer der Sieger der zweiten Runde der Exzellenzinitiative. „Die Stimmung ist enthusiastisch, besonders unter den jungen Wissenschaftlern“, sagt Prof. Dr. med. Stefan Schreiber, Sprecher des Netzwerkes. Mit ihm freuen sich 130 Forscher in 70 Gruppen in Lübeck, Kiel, Borstel und Plön. Rund sechs Millionen Euro jährlich stehen dem Netzwerk nun als Exzellenzcluster zur Verfügung. „Mindestens genauso wichtig ist aber das Prestige“, betont Schreiber. Das Konzept überzeugte: Chronisch entzündliche Barriereerkrankungen, wie Asthma oder Morbus Crohn, werden gemeinsam erforscht, von der Pathologie und der Genetik bis hin zur Therapiestrategie. Mediziner, Biologen und Ernährungswissenschaftler arbeiten zusammen. Neben dem Kieler Netzwerk wurde die Förderung von 19 weiteren Exzellenzclustern und von 21 Graduiertenschulen bewilligt. Zahlreiche Projekte haben medizinische Inhalte beziehungsweise medizinische Fakultäten sind beteiligt. Die klinische Forschung bildet aber die Ausnahme. Im Vordergrund stehen biomedizinische Themen.
Erfolgreiche Anträge auf mindestens eine Graduiertenschule und ein Exzellenzcluster sind die Voraussetzung für die Förderung eines Zukunftskonzepts („Elite-Uni“). Einen Zuschlag für diese dritte Förderlinie erhielten sechs Universitäten. Damit gibt es nun neun „Elite-Unis“. Im Rahmen der Exzellenzinitiative stehen von 2006 bis 2011 1,9 Milliarden Euro zur Verfügung.
„Die Exzellenzinitiative schreibt Wissenschaftsgeschichte“, erklärt Bundesforschungsministerin Dr. Annette Schavan. Der Wettbewerb um Exzellenz habe neue Impulse gesetzt. Von einer „Aufbruchstimmung in der Wissenschaft“ spricht Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner, Vorsitzender der Bund-Länder-Kommission. Prof. Dr. Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), lobt, die Exzellenzinitiative habe die überfällige Profilbildung der Hochschullandschaft vorangebracht.
Während sich die Vertreter von Politik, Wissenschaftsrat und DFG zufrieden zeigen, gibt es aber auch Kritik. Weil mehr Projekte als in der ersten Runde 2006 einen Zuschlag erhielten, werden nun die jeweiligen Bewilligungssummen um bis zu 15 Prozent gekürzt. Trotzdem bleibe die Arbeitsfähigkeit aller Vorhaben auf einem hohen Niveau erhalten, versichert DFG-Präsident Kleiner. Die Kürzung gelte nicht für die 2006 bewilligten Projekte. Vielmehr sei es in der ersten Runde bereits zu Kürzungen und Sperrungen von Mitteln gekommen, die in etwa der angekündigten Reduzierung entsprächen. „Somit werden die als exzellent ausgezeichneten Projekte beider Runden insgesamt gleich behandelt“, erklärt Kleiner in einer etwas holprigen Stellungnahme. Auch Ministerin Schavan weist den Vorwurf zurück, zu viele Projekte würden in der zweiten Runde gefördert und die Zahl von neun „Elite-Unis“ sei zu hoch.
Augenfällig ist unterdessen die regionale Verteilung der bewilligten Vorhaben. Während die Anzahl der Exzellenzcluster und Graduiertenschulen im Norden im Vergleich zu 2006 gewachsen ist, gibt es nach wie vor ein deutliches Ost-West-Gefälle. Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz, Kultusminister von Sachsen-Anhalt, gibt das zu denken. Er fordert eine Debatte darüber, wie man die deutsche Forschungslandschaft strategisch insgesamt verbessern kann. „Dieses Problem ist aber nicht innerhalb der Exzelleninitiative zu lösen“, räumt er ein.
Dr. med. Birgit Hibbeler


„MEDIZIN-Elite“

Neu bewilligte Projekte 2007 mit medizinischem Inhalt:
Exzellenzcluster
- HU Berlin: NeuroCure
- Kiel: Inflammation at Interfaces
- Köln: Cellular Stress Responses in Aging-Associated Diseases
- Tübingen: Centre for Integrative Neuroscience
Graduiertenschulen
- HU Berlin: Berlin-Brandenburg School for Regenerative Therapies
- Göttingen: Graduate School for Neurosciences and Molecular Biosciences
- Ulm: International Graduate School in Molecular Medicine Ulm

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