

Suchtmedizinische Fragestellungen müssen im Praxisalltag angesichts einer Vielzahl von Patienten, die unter einem missbräuchlichen Konsum oder der Abhängigkeit von Substanzen leiden, zunehmend kompetent beantwortet werden.
Gleichzeitig sind vor dem Hintergrund der individuellen Wege, auf denen Abhängigkeit entsteht, therapeutische Entscheidungen gefordert, die den Möglichkeiten heutiger suchtmedizinischer Behandlungsformen entsprechen. Die suchtmedizinische Diagnostik und Therapie bedarf einer auf systematischen Überlegungen beruhenden Tätigkeit auf der Basis evidenzbasierter Daten, um medizinische Effizienz, juristische Beurteilbarkeit und ökonomische Notwendigkeiten des ärztlichen Tuns berücksichtigen zu können. Schließlich muss eine Vergleichbarkeit von Daten als Grundlage für Forschung und medizinische Weiterentwicklung der Suchtmedizin dienen.
Hierbei können die Ausführungen, wie sie in den Leitlinien zur Behandlung substanzbezogener Störungen von Schmidt, Gastpar, Falkai und Gaebel geboten werden, hilfreich sein und als informativer, aber auch zur Diskussion reizender Beitrag zur Umsetzung suchtmedizinischer Diagnostik und Therapie begriffen werden.
Diese Leitlinien sind als Empfehlung für den medizinischen Bereich zu verstehen; die Anliegen anderer im suchtmedizinischen Bereich vertretenen Professionen nichtmedizinischer Ausrichtung werden zu wenig berücksichtigt.
In einzelnen übersichtlichen Kapiteln werden Drogen, Alkohol, Tabak und Medikamente in der Beurteilung einer Dreistufung (A, B, C = schlüssig belegt, allgemein begründet, Expertenmeinung) unterzogen, wobei vielfältige Literaturstellen aufgeführt werden. Insbesondere jene Ärzte, die im täglichen Kontakt zu Patienten mit Suchtproblematik stehen, werden von den informativen Abschnitten und praktischen Empfehlungen, etwa zur Kurzintervention bei riskantem Alkohol- oder Tabakkonsum, profitieren können.
Insgesamt ist mit den Leitlinien ein weiterer Versuch unternommen worden, dem ärztlichen Handeln in einem Bereich, der durch vielfältige historische Dogmata und bisher noch zu wenig gesichertes Wissen begrenzt wird, eine auf überprüfbare Erfahrungen beruhende Grundlage zu geben. Eine Verknüpfung der einzelnen medizinischen Ansätze mit den Arbeitsprofilen nichtmedizinischer Tätiger wird dabei vermisst, dennoch ist das Buch wegen seiner praktischen Antworten auf Fragen aus dem suchtmedizinischen Bereich zur Lektüre zu empfehlen.
Thomas Poehlke
Lutz G. Schmidt, Markus Gastpar, Peter Falkai, Wolfgang Gaebel (Hrsg.): Evidenzbasierte Suchtmedizin. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln, 2006, 314 Seiten, kartoniert, 39,95 Euro