KULTUR
Historisches Museum in St. Gallen: Wayang – Licht und Schatten


Um so ein Wayang-Spiel zu erleben und sich hineinversetzen zu können, braucht man nicht einmal in die Ferne zu fliegen, sondern nur in die Schweiz nach St. Gallen zu fahren. Dort sind die typischsten der flachen, Kulit genannten, aus Büffelhaut geschnitzten und kostbar bemalten Figuren des Wayang zu sehen. 300 zwischen 30 und 70 cm große Exponate sind, durch Stellwände in verschiedene inhaltliche Bereiche getrennt, geschickt an den Wänden drapiert. 200 weitere Wayang-Gegenstände vervollständigen die Thematik.
Fotos: Renate V. Scheiper
Ein Videofilm im Nebenraum, an verschiedenen Orten Indonesiens und Balis aufgenommen, lässt die Museumsbesucher förmlich mit den dortigen Zuschauern um den Ausgang des Spiels bangen. Der Überlinger Zoologe, Dr. Walter Angst, aus dessen Bestand alle Exponate stammen, wurde vor 35 Jahren erstmals auf diese Kunstgattung aufmerksam, als er sich monatelang in abgelegenen Gegenden Indonesiens aufhielt. Es war ihm aufgefallen, dass die Parkwächter jeweils samstags die ganze Nacht begeistert Radioübertragungen von Wayang-Spielen hörten. Sein Interesse war geweckt, und er begann, mit wissenschaftlicher Akribie methodisch zu sammeln. Seine 18 000 Wayang-Figuren und weitere tausend Gegenstände bilden die thematisch vollständigste und weltweit größte Sammlung dieser Art.
In den nächtlichen Wayang-Vorführungen – denn nur nachts erscheinen die Schatten von Ahnen und Göttern – geht es um Geschichten aus hinduistischen Epen wie Mahabharata und Ramayana. Einige Formen von Wayang können auch tagsüber stattfinden mit Golek genannten vollplastischen Puppen, von denen ebenfalls eine Auswahl im Museum vertreten ist. Ein Kurzfilm zeigt die kunstvolle und mühsame Herstellung der zauberhaften Golek- und Kulit-Figuren. Zudem wird die Ausstellung bereichert durch zwei Kisten mit kompletten Sätzen von Figuren, deren Zahl zwischen 60 und 350 liegt und die der Fundus eines jeden Dalang ist.
Um dieses wichtige Kulturerbe Indonesiens zu würdigen und zu erhalten, wurde Wayang 2003 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
Renate V. Scheiper
Informationen: Im Historischen und Völkerkundemuseum St. Gallen ist die Ausstellung „Wayang – Licht und Schatten“ bis zum 15. Juni 2008 zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr, Museumsstr. 50, CH-9000 St. Gallen, Telefon: 00 41-(0)71-2 42 06 42, E-Mail: info@hmsg.ch, Internet: www.hmsg.ch. Dazu ist die umfassende Publikation von Walter Angst „Wayang Indonesia – die phantastische Welt des indonesischen Figurentheaters“ erschienen (Stadler Verlag, Konstanz, 58 Euro).
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