ArchivDÄ-TitelSupplement: PRAXiSSUPPLEMENT: PRAXiS 4/2007Beim Kauf einer Arztpraxis: Preis für den „Goodwill“ nicht mehr absetzbar

SUPPLEMENT: PRAXiS

Beim Kauf einer Arztpraxis: Preis für den „Goodwill“ nicht mehr absetzbar

Dtsch Arztebl 2007; 104(45): [24]

Rudolph, Johannes

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Foto: fotlia/Michael Pemberton
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Die Finanzverwaltung hat die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten für den Käufer einer Arztpraxis eingeschränkt.

Wer eine Arztpraxis kauft, muss in der Regel einen Kaufpreis für das materielle Anlagevermögen sowie für den immateriellen Praxiswert, den „Goodwill“, bezahlen. Bisher war es dabei so, dass auch der Kaufpreis für den Goodwill steuerlich abgeschrieben werden konnte und so der zu versteuernde Gewinn gemindert wurde. Aufgrund neuerer Entwicklungen in der Rechtsprechung scheint diese Möglichkeit nun stark gefährdet.
Ausgelöst wurden die Turbulenzen um die Einschränkung dieser Abschreibungsmöglichkeit durch ein Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 28. September 2004 (Az.: 13 K 412/01). Darin stellte das Gericht fest, dass der mit dem Vertragsarztsitz verbundene wirtschaftliche Vorteil kein abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut darstelle. Dieses Urteil ist mittlerweile rechtskräftig, weil die zunächst eingelegte Revision zurückgenommen wurde.
Das Finanzgericht führte in seinem Urteil aus, dass der Kassenarztsitz nicht aus der öffentlich-rechtlichen Zulassung als solcher bestehe, sondern in der damit verbundenen Chance, auf einem beschränkten Markt als Arzt tätig werden zu können. Diese Chance ändere sich wertmäßig nicht, sodass eine Abschreibung nicht möglich sei. Diesem Urteil hat sich die Finanzverwaltung mit ihrer Anweisung der Oberfinanzdirektion Koblenz vom 12. Dezember 2005 (DStR 2006, 610) angeschlossen.
Kein abnutzbares Gut
Aus Sicht der Finanzverwaltung stellt die Vertragsarztzulassung einen gesondert zu bewertenden wirtschaftlichen Vorteil dar, der nicht abnutzbar und somit auch nicht abschreibbar sein soll. Bisher konnte der Preis für den immateriellen Praxiswert über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren abgeschrieben werden.
Die Oberfinanzdirektion Koblenz führt in ihrer Verfügung weiterhin aus, dass der wirtschaftliche Vorteil der Vertragsarztzulassung ein selbstständiges, immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens und nicht nur einen unselbstständigen, wertbildenden Faktor, der nur im Rahmen des Praxiswertes in Erscheinung tritt, darstelle. Da diese Vertragsarztzulassung generell zeitlich unbegrenzt erteilt werde, kämen Absetzungen für Abnutzung (AfA) nicht in Betracht.
Außerdem ist die Oberfinanzdirektion der Ansicht, dass die Altersgrenzenregelung – die dazu führt, dass die Arztzulassung in dem Ende des Kalendervierteljahres endet, in dem der Vertragsarzt sein 68. Lebensjahr vollendet hat – nicht dazu führe, dass der wirtschaftliche Vorteil einem Wertverzehr unterliege. Denn die Arztzulassung sei vom erwerbenden Arzt im Rahmen seiner Tätigkeit ohne jeglichen Wertverlust nutzbar.
Bilanzsteuerlich ist daher der Kassenarztsitz in die Bilanz aufzunehmen und unverändert während der aktiven Tätigkeit fortzuführen. Steuerlich ist er dann erst bei der Veräußerung der Praxis geltend zu machen, sodass beim Verkaufserlös der Buchwert für den Erwerb des Kassenarztsitzes in Abzug zu bringen ist.
Die Auswirkungen dieser steuerrechtlichen Einordnung der Vertragsarztzulassung durch das Finanzgericht Niedersachsen sowie die Oberfinanzdirektion Koblenz sind gravierend:
Nach der bisher geltenden Rechtsprechung konnte der erwerbende Arzt den Goodwill der Praxis in den ersten Jahren absetzen. Diese steuerliche Vergünsti-gung dürfte in der Zukunft wegfallen – zumindest für den Anteil, der auf den Erwerb der Kassenarztzulassung entfällt. Hierdurch wird die Liquidität in den ersten Jahren nach der Praxisübernahme stark vermindert. Dies wiederum erschwert die notwendigen Abschreibungen zur Finanzierung des Praxiskaufpreises erheblich. Zudem dürften sich wegen der fehlenden steuerlichen Entlastun-gen die Laufzeiten für die zur Finanzierung des Praxiskaufes aufgenommenen Darlehen verlängern.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen
Aber: Auch wenn das Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen und die Verfügung der Oberfinanzdirektion Koblenz vorliegen, sind nach Auffassung des Autors diese nicht zwingend verallgemeinerungsfähig. Denn die Vorgehensweise sowohl der Rechtsprechung als auch der Finanzverwaltung unterliegt starker Kritik.
Insbesondere kann die Auffassung nicht überzeugen, dass ein Teil des Kaufpreises für den Erwerb einer Arztpraxis an den Veräußerer gezahlt wird, damit der Verkäufer dem Erwerber das Recht einräumt, auf einem beschränkten Markt tätig werden zu können. Denn die kassenärztliche Zulassung ist kein Recht, das auf dem freien Markt handelbar ist. Vielmehr wird die Zulassung durch ein öffentlich-rechtliches Ausschreibungsverfahren von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) vergeben, sodass eine direkte Übertragung vom Veräußerer auf den Erwerber nicht möglich ist. Es ist der KV ungenommen, bei Nichtvorliegen der Zulassungsvoraussetzungen, die Zulassung dem Erwerber nicht zu erteilen. Dem steht auch nicht die Auffassung des Finanzgerichts Niedersachsen entgegen, wonach gemäß § 110 Abs. 4 Satz 6 SGB V die wirtschaftliche Verwertung einer solchen Arztzulassung durchaus möglich ist. Vielmehr erfolgt wegen der Neuregelung des § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Zulassung seit 2003 aufgrund von Verhältniszahlen, welche gesetzlich festgelegt worden sind. Dies kann zu einer völligen Zulassungssperre für einzelne Planungsbereiche führen. Daher ist es entgegen der bisherigen Praxis nicht mehr möglich, dass die KV neben diversen anderen Ermessenskriterien auch die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes ausreichend berücksichtigt. Vielmehr kann durch diese gesetzliche Neuregelung der Fall eintreten, dass ausscheidende Vertragsärzte wegen bestehender Überversorgung ihre Praxen nicht mehr wirtschaftlich verwerten können. Dies ergibt sich aus § 102 Abs. 1 Satz 5 SGB V, wonach Zulassungsanträge von Ärzten, die zu einer Überschreitung der Verhältniszahlen führen würden, vom Zulassungssausschuss zwingend abzulehnen sind. Auch das Bundessozialgericht vertritt diese Auffassung der Nichtveräußerbarkeit einer Arztzulassung, weil diese ein höchstpersönliches Recht darstelle und somit weder pfändbar noch übertragbar sei (Urteil vom 10. Mai 2000, Az.: B 6 KA 67/98 R).
Einspruch einlegen!
Es bleibt abzuwarten, inwieweit die anderen Oberfinanzdirektionen sich der Oberfinanzdirektion Koblenz anschließen, und ob die Finanzgerichte der anderen Bundesländer den Gründen des Finanzgerichts Niedersachsen folgen können. Zumindest sei darauf hingewiesen, dass das erlangte Wirtschaftsgut, der Goodwill, lediglich dem Erwerber für einen begrenzten Zeitraum einen wirtschaftlichen Nutzen einräumt. Daraus ergibt sich für den Erwerber die Möglichkeit, eine steuerliche Abschreibung für den Zeitraum bis zu seinem 68. Lebensjahr durchzuführen. Zwar lehnt das Finanzgericht Niedersachsen diese rechtliche Einschätzung in seinem Urteil ab – jedoch nur deshalb, weil im zugrunde liegenden Sachverhalt die Altersgrenze noch nicht bestand (diese wurde erst 1999 eingeführt).
Aufgrund erheblicher Angriffspunkte gegenüber der bisherigen Argumentation kann die Empfehlung seitens der steuerlichen Berater nur sein, gegen die Ablehnung der Abschreibungsmöglichkeit Einspruch einzulegen, und im weiteren Schritt gerichtlich hiergegen vorzugehen (solange noch kein höchstrichterliches Urteil des Bundesfinanzhofs vorliegt).
Aus Beratersicht bedeutet dies, dass eine transparente Praxisbewertung zwingend erforderlich ist, um die Einschätzung der Finanzverwaltung im Sinne des Praxiserwerbers zu steuern. Insbesondere ist der Kaufpreis für den Vertragsarztsitz zu bestimmen und vom übrigen Kaufpreis abzutrennen. Hierbei ist zu beachten, dass es auch Fachgebiete gibt, für die keine Zulassungsbeschränkungen für Vertragsarztpraxen gelten (etwa für Nuklearmediziner). Für die Bereiche, in denen die Zulassung beschränkt ist, ist im Vorfeld zu prüfen, wie hoch der Marktwert der Arztzulassung einzustufen ist. Insbesondere in Gebieten, die eher unattraktiv für bestimmte Arztgruppen sind, ist der Wert der Zulassung niedrig anzusetzen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass für lukrative Praxen der Kaufpreis aus Sicht der Finanzverwaltung einen großen Teil am Gesamtkaufpreis einzunehmen hat.
RA Johannes Rudolph, Münster

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