ArchivDeutsches Ärzteblatt47/2007Rehabilitation: Schneller zurück in den Alltag

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Rehabilitation: Schneller zurück in den Alltag

Meuthen, Gunter

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LNSLNS Schon während der medizinischen Rehabilitation können arbeitsplatzbezogene Belastungssituationen erprobt werden. Das Koblenzer Beispiel „Rehajob“ zeigt: Die Verzahnung mit der beruflichen Rehabilitation kann die Arbeitsunfähigkeit verkürzen.

Die medizinische Rehabilitation ist häufig die letzte Behandlungsstation vor dem Schritt zurück an den Arbeitsplatz. Medikophysikalische Anwendungen mildern funktionelle Defizite, ein gezieltes Training steigert die Belastungsfähigkeit und die Ausdauer der Rehabilitanden. An die Rehabilitationsbehandlung schließt sich meist eine stundenweise Wiedereingliederung ins Arbeitsleben an.
Obwohl die Rehabilitanden in der Regel auf den erneuten Einstieg in den Beruf vorbereitet sind, kommt es in der Praxis immer wieder zu Abbrüchen der Arbeitsversuche. Eine stundenweise Wiedereingliederung ist bei manchen Patienten nicht möglich, wie etwa bei Arbeitslosen oder Montagearbeitern. Der Beginn der beruflichen Belastungserprobung ist daher bereits während der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme sinnvoll.
Manche Rehabilitationskliniken bieten arbeitsplatzorientierte Maßnahmen an, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Meist wird eine solche berufsbezogene Rehabilitation in einem Parcours auf dem Klinikgelände durchgeführt. Das erfordert allerdings viel Platz und hohe Investitions- und Unterhaltungskosten. Darüber hinaus lassen sich nur wenige Berufe abbilden.
Erfolgsmodell Rehajob
So entstand in der Berufsgenossenschaftlichen Sonderstation für Schwerunfallverletzte im Stiftungsklinikum Mittelrhein, Koblenz, folgende Idee: Für die arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen könnte man bereits vorhandene Ressourcen nutzen. Im Rahmen des Projekts „Rehajob“ kooperiert die Klinik daher nun mit der Handwerkskammer Koblenz (HwK). Die Rehabilitanden können stundenweise in den Lehrwerkstätten der Handwerkskammer ihre berufliche Tätigkeit trainieren. Der Versicherte befindet sich dabei also nicht in einer Klinik, sondern an einem realen Arbeitsplatz. Rehajob stellt somit eine echte Verzahnung zwischen beruflicher und medizinischer Rehabilitation dar. Schon während der stationären Rehabehandlung findet ein laufendes Monitoring der Fortschritte hin zur Arbeitsfähigkeit statt. Die bei der beruflichen Rehabilitation aufgedeckten funktionellen Defizite werden in der arbeitsfreien Zeit medizinisch therapiert. Ein wichtiges Ziel von Rehajob ist es, durch den früheren Beginn der beruflichen Rehabilitation die Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu verkürzen.
Egal, ob Dachdecker, Zimmermann oder Pflasterer: Mit „Rehajob“ können alle Berufsgruppen die Arbeitsbelastung in den Lehrwerkstätten der Handwerkskammer Koblenz trainieren. Fotos: Klinikum Mittelrhein
Egal, ob Dachdecker, Zimmermann oder Pflasterer: Mit „Rehajob“ können alle Berufsgruppen die Arbeitsbelastung in den Lehrwerkstätten der Handwerkskammer Koblenz trainieren. Fotos: Klinikum Mittelrhein
Individuelle Belastung
Die tägliche Arbeitszeit in den Lehrwerkstätten der HwK ist frei wählbar und kann im Verlauf arbeitstäglich gesteigert oder bei Bedarf wieder reduziert werden. Die Rehabilitanden beginnen den Tag um sieben Uhr mit einer 20-minütigen Frühgymnastik. Um acht Uhr schließt sich Schwimmen oder ein Bewegungsbad an. Danach werden die Rehabilitanden von der Klinik zur HwK gebracht und dort auf die einzelnen Lehrwerkstätten verteilt. In 22 Hallen stehen Angebote für nahezu alle Handwerksberufe zur Verfügung – vom Kfz-Mechaniker über den Maurer bis zum Gerüstbauer.
Die HwK behandelt die Rehabilitanden nicht separat, sondern integriert sie in laufende Kurse. Zur Betreuung stehen immer ein Ausbilder und bei Bedarf ein Sozialpädagoge zur Verfügung. Therapeuten, Ärzte und Psychologen aus der Klinik kommen stichprobenartig und bedarfsabhängig in die Lehrwerkstätten. Nach geleisteter Arbeit werden die Rehabilitanden wieder zur Klinik zurückgebracht. Im Anschluss findet mindestens eine Einzelanwendung statt, bei der dann die funktionellen Defizite gezielt behandelt werden.
Eine Rehajob-Maßnahme kann ambulant vor der Rehabilitation vom einweisenden Arzt oder durch den Kostenträger (in diesem Fall die Berufsgenossenschaft) angeregt werden. Die meisten Rehabilitanden erreichen aber erst während der Rehamaßnahme ein ausreichendes Leistungsniveau, sodass die Rehajob-Behandlung oftmals während der Rehabilitation beginnt.
Aktiver Rehaprozess
Falls die Belastbarkeit wider Erwarten noch nicht vorliegt, kann jederzeit entweder die Stundenzahl reduziert werden, oder der Rehabilitand wird wieder in eine rein medizinische Rehabilitation zurückgeführt. So muss nicht eine neuerliche Krankmeldung, die den Rehabilitanden oft um Wochen zurückwirft und unter Umständen sogar seinen Arbeitsplatz gefährdet, erfolgen. Am Ende der Rehajob-Maßnahme erhalten Rehabilitand und Klinik ein Arbeitszeugnis der HwK und eine Auflistung der Tätigkeiten, die der Rehabilitand ausgeführt hat.
Der Rehabilitand verlässt im Rahmen von Rehajob nach häufig monate- oder sogar jahrelangem Verlauf erstmals wieder die Patientenrolle. Er wird vom Behandelten zum Handelnden und gestaltet somit den Rehaprozess aktiv mit. Der Rehabilitand sieht, was er noch kann oder was er wieder kann. So erhält er ein positives Leistungsbild.
Die Belastungserprobung geschieht außerdem ohne Druck, denn mit Rehajob kann der Rehabilitand seine berufliche Tätigkeit ohne Versagensängste vor dem Arbeitgeber üben. Durch die Verknüpfung von medizinischer und beruflicher Rehabilitation wird ein flexibler Übergang hin zur beruflichen Tätigkeit geschaffen. Ein Rückschritt erfordert überhaupt keinen organisatorischen Aufwand. Sofort kann die berufliche Rehabilitation durch medizinische Anwendungen ersetzt werden, bis das Leistungsniveau ausreichend ist. Insbesondere Arbeitslose und solche Patienten, die nicht mehr ihre bisherige Tätigkeit ausüben können, haben die Chance, alternative Tätigkeitsfelder zu entdecken. Unter Umständen kann sogar ein neuer Arbeitsplatz vermittelt werden – gerade vor dem Hintergrund des in den nächsten Jahren drohenden Fachkräftemangels.
Weitere Vorteile von Rehajob sind im psychologischen Bereich zu sehen: So verdeutlicht die Verzahnung von Arbeitstherapie und medizinischer Rehabilitation den ergonomischen Umgang mit den körperlichen Ressourcen. Es findet ein Wechselspiel zwischen Anspannung und Entspannung statt. Vor allem bei psychisch belasteten Rehabilitanden mit gestörter Krankheits- und Unfallverarbeitung oder posttraumatischer Belastungsstörung ist die Konfrontation mit der Angst auslösenden Situation unter therapeutischer oder psychologischer Begleitung möglich.
Durch die Kombination von medizinischer und beruflicher Rehabilitation besteht eine größere Flexibilität in der Rehabilitation. Auf Verbesserungen, aber auch auf Verschlechterungen des Leistungsniveaus kann rasch reagiert werden. Durch die Kombination beider Rehabilitationsformen an einer Stelle bleibt das Prinzip der Berufsgenossenschaften „Alles bleibt in einer Hand“ gewahrt. Man kann davon ausgehen, dass Rehajob die Zahl erfolgloser Arbeitsversuche reduziert und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit verkürzt.
Dr. med. Gunter Meuthen
Berufsgenossenschaftliche Sonderstation
für Schwerunfallverletzte,
Stiftungsklinikum Mittelrhein, Koblenz

Vorteile von „RehaJob“
Vorteile für den Rehabilitanden
Der Rehabilitand
- wird vom Behandelten zum Handelnden
- erhält einen individuellen Übergang hin zur beruflichen Tätigkeit
- erprobt und trainiert die Arbeitsbelastung stundenweise schon während der medizinischen Rehabilitation
- kann seine Tätigkeit ohne Leistungsdruck üben
- entwickelt wieder Selbstvertrauen
- bekommt ein Zeugnis (Handwerkskammer) Vorteile für den Kostenträger Berufsgenossenschaft)
- berufliche Rehabilitation beginnt früher
- laufendes Monitoring der Arbeitsfähigkeit während der Rehabilitation
- durch Kombination medizinischer und beruflicher Rehabilitation größere Flexibilität
- Reduktion erfolgloser Arbeitsversuche
- Verkürzung des Heilverfahrens

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