ArchivDeutsches Ärzteblatt47/2007Medizinethik: Ergänzungen
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Zum Kommentar von Norbert Jachertz zum Nürnberger Ärzteprozess und zur Wirkungsgeschichte des Nürnberger Kodex wäre ergänzend anzumerken, dass die angeführten Gelöbnisse und Deklarationen sämtlich keine Rechtsverbindlichkeit besitzen, mit Ausnahme der Bioethikkonvention des Europarats. Das gilt vor allem auch für das sogenannte Genfer Ärztegelöbnis von 1948 (offiziell bezeichnet als „Serment d’Hippocrate formule de Gene`ve“) sowie für die Deklaration von Helsinki von 1964 und deren vielfältige Revisionen. Deklarationen des Weltärztebunds sind generell keine völkerrechtlich verbindliche Rechtsakte. Selbst die übernommene deutsche Fassung des Genfer Gelöbnisses besitzt keine Rechtsverbindlichkeit, wie das Bayerische Verfassungsgericht 1979 feststellte. Da das Gelöbnis – wie auch die Präambel – der Berufsordnung vorangestellt ist, stellt es nur eine Absichtserklärung dar, aber keine Rechtsnorm wie die Berufsordnung selbst. Wie fatal das sein kann, zeigt die Vorgeschichte des Nürnberger Kodex. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass dieser weitgehend auf den 1931 vom Reichsgesundheitsrat verabschiedeten „Reichsrichtlinien zur Forschung am Menschen“ basiert, welche für die damalige Zeit zwar vorbildlich waren, aber mangels Rechtsverbindlichkeit im Dritten Reich unterschlagen werden konnten. Unmittelbar bindendes Recht ist zurzeit nur das 1997 vom Europarat verabschiedete „Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin“ und das auch nur, soweit das Übereinkommen zusätzlich von den einzelnen Mitgliedsländern ratifiziert wurde. Für die EU verbindlich ist außerdem die Richtlinie des Europäischen Parlaments von 2001 „über die Anwendung der guten ärztlichen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln“. Beide Regelwerke haben im Konfliktfall immer Vorrang vor den oben angeführten Gelöbnissen und Deklarationen, was von den Ethikkommissionen oft nicht ausreichend beachtet wird.
Dr. med. Rolf Klimm, Bach 2, 83093 Bad Endorf

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