ArchivDeutsches Ärzteblatt48/2007Tendenzielle Bewertung von Metaanalysen

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Tendenzielle Bewertung von Metaanalysen

Meyer, Rüdiger

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LNSLNS Metaanalysen, die von Pharmafirmen gesponsert werden, liefern statistisch korrekte Ergebnisse. Doch in der Bewertung bevorzugen die Autoren einer retrospektiven Kohortenstudie im britischen Ärzteblatt (BMJ 2007; doi:10.1136/bmj.39376.447211.BE) zufolge häufig die Wirkstoffe des Sponsors. Metaanalysen sind zu einem Rückgrat der evidenzbasierten Medizin geworden. Die Berechnungen gelten – da für die meisten Leser kaum noch nachvollziehbar – als besonders anfällig für Manipulationen. In den letzten Jahren hat es deshalb nicht an Vorwürfen gegenüber den Herstellern gefehlt, diese würden Metaanalysen als Marketinginstrument nutzen und die Daten verzerrt darstellen. Veronica Yank von der Stanford-Universität hat deshalb 124 Metaanalysen zur antihypertensiven Therapie analysiert. Ihr Ergebnis: Die Tatsache, dass eine Metaanalyse von einem oder mehreren Herstellern finanziell gefördert wurde, hatte auf die mathematischen Ergebnisse keinen Einfluss, wohl aber auf deren Interpretation.
Gutachter sollen auf „bias“ achten
So kamen 92 Prozent aller von einer einzelnen Firma gesponserten Metaanalysen zu einer positiven Bewertung des oder der Medikamente, obwohl nur 55 Prozent der statistischen Ergebnisse der Metaanalysen diese Bewertung auch stützten. Dies ergibt eine „Lücke“ von 37 Prozent. Sie sinkt auf 21 Prozent, wenn die Metaanalyse von mehreren Firmen gesponsert wurde.
Keine Diskrepanz zwischen Daten und Interpretation bestand dagegen, wenn die Autoren ihre Untersuchung ohne Interessenkonflikte finanzierten. Diese Verzerrung („bias“) ist Yank zufolge den Herausgebern der Zeitschriften und den von ihnen beauftragten Gutachtern im sogenannten Peer Review offenbar entgangen. Diese müssten deshalb stärker darauf achten, dass Ergebnisse und Schlussfolgerungen übereinstimmten. Eine Alternative bestünde darin, firmengesponserte Studien nicht mehr zu publizieren. Dies stößt jedoch bei dem Editorialisten Richard Epstein von der University of Chicago Law School auf Ablehnung, und zwar weniger aus rechtlichen Gründen als aus der Angst, dass dann Metaanalysen zu wichtigen Fragen nicht mehr durchgeführt würden. In der Hypertensiologie sind laut Epstein 60 Prozent aller Metaanalysen firmengesponsert. Autoren von Leitlinien, die in einigen Bereichen eher mit einer Überfülle denn einem Mangel an Publikationen zu tun haben, mögen hier zu einer anderen Bewertung kommen. Rüdiger Meyer

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